DIE LÖSUNG DER GRIECHENLAND-FRAGE

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Ulrich Gellermann
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DIE LÖSUNG DER GRIECHENLAND-FRAGE
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DIE LÖSUNG DER GRIECHENLAND-FRAGE

Kind für Kind gut selektiert


Finanzminister Schäuble fährt nach Griechenland. Denn das Land braucht weitere 10 Milliarden Euro. Obwohl, dank der von der Troika verordneten Sparpolitik, Griechenland in Armut versinkt, werden weitere "Sparanstrengungen" nötig sein. Das ist geradezu ein Gebot der vor uns liegenden Bundestagswahlen. Auch wenn die Prostitution in Griechenland im Gefolge der Armut um 1.500 Prozent gestiegen ist. Wenn auch die Zahl der Obdachlosen um 30 Prozent gesteigert wurde, wenn jeden Tag 1.000 Erwerbstätigen gekündigt wird, die Geburtenrate fällt und die Kindersterblichkeit - als Folge der Kürzungen im Gesundheitswesen - um 40 Prozent angestiegen ist: Griechenland wird weiter kürzen müssen. Aber Schäuble geht es nicht nur um Kürzungen. Er will auch die schlechten Nachrichten aus den Medien raus haben. Deshalb hat er seinen "Wissenschaftlichen Beirat" beauftragt, eine Lösung der Griechenlandfrage zu finden: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende", hat er den Beirat wissen lassen. Und die Wissenschaftler haben ihm ein Papier mitgegeben, das die Griechenlandfrage lösen wird. Es liegt uns vor und wir veröffentlichen es vorab:


Grafik by Professional Digital Artist AY Deezy (France) - http://ay-deezy.deviantart.com/


Sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble,

die schlechten Nachrichten aus Griechenland sind vorrangig den Armutsbildern zu verdanken. Ein erster Schritt wäre deshalb ein Image-Wechsel. Die griechische Regierung muss als erstes die Obdachlosen aus dem Bild der Städte verschwinden lassen. Hier bietet sich eine geräuschlose Deportation in einsame und unwegsame Landschaften an. Das Deportationsprogramm sollte unter dem Namen "Landluft macht frei" als eine Art Landtourismus verkauft werden. Damit würden auch die Bilder von Bettlern und Müllfressern weitgehend verschwinden. Das deutsche "Technische Hilfswerk" könnte die Unterkünfte für die Land-Lager bauen und damit zugleich demonstrieren, dass wir Deutschen immer hilfsbereit sind.

Zwar plant die Athener Regierung bereits 4.000 Lehrer in abgelegene Regionen zu versetzen und zehntausend Teilzeitlehrer zu kündigen, aber das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir empfehlen den Lehrbetrieb komplett einzustellen. Wer immer weniger Arbeitsplätze hat, der braucht auch keine Bildung. Es wird sich doch im Umfeld der Regierungskoalition eine Jugendorganisation finden, die mit dem Slogan "Schulfrei für alle Zeiten" eine positive Bewegung auslöst, deren Forderungen dann von der Regierung erfüllt werden würde. Mit der Einsparung lässt sich mindestens eine weitere Bank retten.

Tatsächlich haben die griechischen Behörden den Gesundheitsetat bereits von 24 auf 16 Milliarden Euro gekürzt. Deshalb gibt es zum Beispiel nicht mehr genug frische Nadeln für die Spritzen der Drogensüchtigen und so steigt die HIV-Erkrankungs-Rate drastisch an. Wenn man also gar keine Nadeln mehr ausgibt und die teuren Medikamente für die Aidskranken streicht, kann man mit einer schnellen Erledigung des Problems rechnen. Die Regierung sollte u. E. diese Veränderung im Gesundheitswesen unter dem Stichwort "Kampf den Drogen" vermitteln. Möglicherweise lässt sich aus der Verweigerung der Aids-Hilfe auch noch ein "Kampf gegen Unmoral" entwickeln.

Auch wenn die Sterberate in Griechenland langsam nach oben weist - der Anstieg der Selbstmorde um ein Drittel in den letzten zwei Jahren hat daran einen gewissen Anteil - ist das Tempo des griechischen Aussterbens doch ungenügend. Immer noch gibt es einen Überhang unnützer Esser, Leute die auf Straßen und Plätzen herumlungern und bei denen, trotz aller Kürzungsmaßnahmen, die Kraft immer noch für Demonstrationen und Kundgebungen reicht. Dazu kommt, dass die bisherigen Einsparungen die griechischen Rückzahlungen an EU und IWF nur tröpfeln lassen. Man wird deshalb zu Schritten raten müssen, die frisches Geld in Griechenlands Kasse spülen.

Was Griechenland, trotz steigender Säuglingssterblichkeit, immer noch genug hat, das sind Kinder. Insbesondere die nicht arbeitsfähigen Kinder belasten den Staatshaushalt über Gebühr. Auch wenn jetzt bereits drei von zehn Kindern an der Armutsgrenze vegetieren und man hoffen könnte, das Problem würde sich durch den Hungertod lösen: Es gibt einfach zu viele Kinder. Wir schlagen deshalb ein ungewöhnliches Export-Produkt vor: Gut genährte und gepflegte Kinder sollten selektiert und den europäischen Luxusrestaurants als neue Delikatesse angeboten werden. Zwar scheint die Maßnahme ungewöhnlich und könnte erst einmal auf Widerstand stoßen, aber mit zwei gut angelegten Marketing-Kampagnen - eine, die sich an die Kunden richtet, eine andere, mit der die Lieferanten angesprochen werden - wird sich der anfängliche Widerstand schnell auflösen.

Für die Kunden sollte mit dem Slogan "Zum Fressen gern" der Aspekt der Empathie herausgehoben werden: Ja, wir haben euch Griechen zum Fressen gern, stehen euch durchaus nahe, sehen eure Probleme und fressen sie sozusagen auf. Auch der bisherige offizielle Slogan des Landes "Als Fremder kommen, als Freund gehen", könnte, leicht abgeändert, noch weiter genutzt werden: "Als Freund kommen, gut genährt gehen", würde sich anbieten. Vor allem aber müssen die vielen TV-Kochsendungen einbezogen werden, in denen griechische Kinder - mal in kretischem Olivenöl knusprig gebraten, mal in Retsina mariniert - für den Feinschmecker zubereitet werden. Vielleicht lässt sich sogar Udo Jürgens Lied "Griechischer Wein" relaunchen. Etwa so: "Griechischer Wein, dazu ein zartes Baby, schenk noch mal ein, danach nen Ouzo may be, Griechischer Wein, ja der ist fein."

Die Marketingstrategie für die Lieferanten wird ungleich schwieriger sein. Man wird hier auf die Antike zurückgreifen müssen. Unter dem Begriff pharmakós (fa?µa???) gab es offenkundig schon in der Antike Menschenopfer, "wenn Seuchen, Hungersnot, Krieg oder sonstige Krisen und Gefahren befürchtet wurden oder eingetreten waren" wie uns Wikipedia berichtet. Autoren wie Aristophanes und Demosthenes haben über diese Rituale berichtet. Und wer wollte bezweifeln, dass sich das moderne Griechenland in einer schweren Krise befindet? Und ist aus dem altgriechischen Wort f??µa??? pharmacon, also Heilmittel, nicht das neugriechische Wort fa?µa?e??, Apotheke geworden, ein Ort, aus dem die Heilmittel stammen? Uns scheint diese Ableitung plausibel. Neben dem Appell an die große Geschichte Griechenlands und der Heilmittel-Argumentation braucht die Inlands-Kampagne natürlich auch einen Slogan. Zu Beispiel diesen: "Dein Kind für unser Land!" Oder: "Heute ein Problem - morgen ein Exportschlager".

Sehr geehrter Herr Minister,

wir sind sicher, dass vor allem unser letzter Vorschlag das aktuelle Finanzproblem lösen würde und, lange genug umgesetzt, sogar eine Endlösung der Griechenlandfrage ins Auge gefasst werden kann.

Der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums


Ulrich Gellermann
 



Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Griechenlands Demokratie


Griechenlands Demokratie


Einen Exportschlager hätte Griechenland noch, der auch nicht unantastbar bleiben sollte: Die gute alte, zwar etwas angestaubte, doch immer wieder viel beschworene Demokratie, die dort angeblich erfunden wurde, und von der wir heute noch einige säulenkapitellgroße Stücke und ein paar Architraphenfriese in Verwahrung halten. Sie gibt insgesamt ein gutes Bild ab, selbst in verstümmeltem Zustand. Auch wenn sie nicht für Unfreie und Sklaven galt, sondern nur für besteuerungswürdige Stadtstaatenbürger, so könnte sie doch wenigstens in Hamburg, Bremen und Berlin noch ein paar kosmetische Dienste leisten, bevor sie völlig vergessen wird.
 



Griechenland dürfte sie dank der strengen Troika-Diktatur leicht entbehren, und bei uns trüge sie zu einer schönen Erinnerung an das verschwundene Hellas bei, dürfte aber auch das deutsche Land schmücken. Stell dir vor, im Pergamonmuseum geisterte nachts die "verkaufte Demokratie" durch die Hallen, man hörte von außen nur ein ächzendes Schlurfen und schleppendes Kettenklirren. Die Museumsinsel, wäre sie nicht ohnehin internationaler Publikumsmagnet, könnte zum Heiligtum aufsteigen. Berlin würde zum Wallfahrtsort, ein Kurort und Ur-Hort der Demokratie in einem.

Nichts würde die Welt lieber sehen als ein durch und durch demokratisches, also durchdemokratisiertes Deutschland, das nebenbei nicht nur Steine klaut wie Schliemann oder später die Wehrmacht, sondern auch noch den Geist rettet. Griechenland wäre geholfen, denn ohne die lästige Restdemokratie ließen sich unabdingbare Sparmaßnahmen noch bedenkenloser und konsequenter durchsetzen. Und wenn sich in Athen dereinst die Eulen Gute Nacht sagen, wird alle Welt glauben, dass die Stadtgöttin von Berlin die Volksherrschaft erfunden habe.

Auch wenn sie uns nur einen Bären aufgebunden hat.


Wolfgang Blaschka

 

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Diogenes - unser griechisches Vorbild

 

Diogenes - unser griechisches Vorbild

 

 

Diogenes of Sinope  (* ca. um 405 v. Chr. in Sinope; † vermutlich um 320 v. Chr. in Korinth)

 

[quote=Ulrich Gellermann]

Es gibt einfach zu viele Kinder. Wir schlagen deshalb ein ungewöhnliches Export-Produkt vor: Gut genährte und gepflegte Kinder sollten selektiert und den europäischen Luxusrestaurants als neue Delikatesse angeboten werden. 

[/quote]

Aber Herr Gellermann, was haben Sie sich dann dabei gedacht? Sie haben den Boden der Etikette verlassen und gesagt, was man nicht einmal denken darf. Solche Sitten und Moden sollten wir hierzulande besser nicht einführen! Aber wenn ich es mir recht überlege, so ist diese vorgeschlagene Praxis in der Tat doch nichts anderes,  als diejenige der alten Griechen, bei denen Menschenopfer nicht nur unter dem Decknamen „pharmakós“ (also Reinigungsopfer) dargebracht wurden, sondern bei vielen anderen Gelegenheit auch, z. B. um die Götter zu besänftigen oder um ihnen zu danken – also de facto immer. Die griechische Mythologie liefert uns dafür reichhaltiges Anschauungsmaterial.
 
Ich möchte gerne noch ein wenig in der Antike verweilen und meinen griechischen Lieblingsphilosophen und Lehrmeister der Ironie und des Sarkasmus ins Spiel bringen und würdigen, der uns für die heutigen Verhältnisse als Vorbild dienen kann: Diogenes. Diogenes bezeichnet sich selbst als Hund „Und ich Diogenes, der Hund.“ als Synonym für das von ihm geführte asketische Leben. Die Verständnisfrage danach, was er unter einem Hundeleben verstehe, soll er wie folgt gekontert haben: 
 
„Die mir geben, umwedle ich; die mir nichts geben, belle ich an; die Bösen beiße ich.“ 
 
Ein wunderbarer Satz, der voller beißender Ironie und Sarkasmus steckt. Der Sage nach soll er in einer Tonne gehaust haben, jedenfalls hatte er keinen festen Wohnsitz und war somit der erste bekannte Penner der Geschichte. Er hat seine Lebensart und sich selbst öffentlich zur Schau gestellt. Die einzigen Utensilien, die er sein eigen nennen konnte, waren außer dem sprichwörtlichen Faß, ein Wollmantel, ein Rucksack sowie ein Stock. Die Meinung der Öffentlichkeit interessierte ihn einen Dreck, er war damit auch das Urbild eines Bürgerschrecks, der selbst vor Publikum onanierte.
 
Insofern stellt Diogenes für uns nicht nur ein Vorbild als Nichtkonformist dar, sondern er ist auch für politischen Sanktionspraktiken – nicht nur für Griechenland – ein ideales Muster. Warum sollten nicht alle Griechen in alter Tradition wie Diogenes in Genügsamkeit leben können? Was spricht dagegen, die Lebensform der Askese zur allgemeinen Norm zu erheben, ausgenommen natürlich für Deutschland & Co.? Das wäre doch die Lösung aller EU- und Europrobleme! 
 
Allerdings vergessen die marktbesessenen Intelligenzbestien dabei immer, die Rechnung mit dem Wirt zu machen. Der klitzekleine Haken an der Sache ist die Tatsache, daß der Konsum in diesem Falle gegen Null tendiert. Auf diese Weise sägt man sich den Ast ab, auf dem man sitzt und gibt sich selbst den Schuß. Aber wer den sprichwörtlichen Schuß nicht gehört hat, dem ist eh nicht mehr zu helfen! Die hervorragendste Spezialität dieser nur mit Wasser kochenden neoliberalen Haute Cuisine ist ja bekanntlich die Ignoranz jeglicher Realität, die sich in der Leere ihres Hirninhaltes ausdrückt.
 
 
Peter A. Weber
 

 

► Bildquelle:


Foto 1:  Florentinische Terra Cotta Büste aus dem Vatikan-Museum in Rom, gefunden bei Sculpturegallery.com

Foto 2:  Diogenes sucht einen Menschen – Darstellung wahrscheinlich von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1780er), Nagel Auktionen gef. bei Wikipedia

 

 
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