Berliner Schmierentheater rund um die Affäre Edathy

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Berliner Schmierentheater rund um die Affäre Edathy
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Berliner Schmierentheater rund um die Affäre Edathy
 
 
In Berlin wird dem politischen Schmierentheater mal wieder eine große Bühne eingeräumt. Ein politisch untergeordneter Vorfall wird - wie schon so oft - zur Staatsaffäre aufgebauscht, bei dem ein Ministerkopf rollt und andere namhafte Politiker unter Beschuß geraten. Es ist bezeichnend, daß bereits ein kleines Sandkörnchen das Getriebe der übermächtigen GroKo zum Knirschen bringen kann. 
 
Die Regierungs- und Parlamentariertruppe in Berlin ist beherrscht von kleingeistigem Denken. Kein Wunder, denn die Oberaufseherin sich in der Weise einer spröden Gouvernante ihren Zöglingen keine Luft zum Atmen läßt. Im Fokus des Strebens steht nicht die Aufgabenstellung, gravierende Fehlentwicklungen zu korrigieren und die Weichen für die Zukunft weitsichtig auszurichten. Nein – im Gegenteil, bloße Taktiererei wird zur Perfektion entwickelt, wie man die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten vertuschen kann, begangene Böcke anderen in die Schuhe zu schieben und – vor allen Dingen -, davon abzulenken, daß man eine Begünstigungspolitik zum Vorteil der Wirtschaft und des Kapitals betreibt.
 
Der Versager und Blindgänger, der vom Innenminister zum Landwirtschaftsminister beförderte Hans-Peter Friedrich, stolpert letztendlich über einen für das Gemeinwohl unerheblichen Lapsus. Während seiner Amtszeit als Innenminister hat er auf der ganzen Linie versagt und z. B. in der NSA-Affäre den absoluten Depp abgegeben, ohne daß diese staatspolitisch relevanten Fehlleistungen auch nur im entferntesten ein Grund zum Rücktritt darstellten. Drastischer könnte man nicht demonstrieren, nach welchen Regeln „demokratisch“ legitimierte Politik in Berlin funktioniert und welche dubiosen Zwecke sie verfolgt.
 
Einen positiven Ansatz zeigte Friedrich noch zuletzt, als er sich im Rahmen der Diskussion um den gentechnisch veränderten, Mais 1507 gegen die Anbauzulassung ausgesprochen hatte. Der Bundestag hat sich in einer Abstimmung dennoch für den Anbau von Mais 1507 ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der Grünen, gegen die Zulassung zu stimmen, wurde abgelehnt. Union und SPD stimmten fast einstimmig gegen den Antrag (451 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen, 18 Enthaltungen). Linke und Grüne stimmten geschlossen dafür, die EU-weite Zulassung zu verhindern. Aber die Oberglucke Angela hatte da andere Ansichten, so daß in der Abstimmung im EU-Rat am 11.2.2014 Deutschland durch seine Enthaltung verantwortlich für das Durchwinken der Zulassung war. Tragisch für Friedrich ist der Umstand, daß er nun selbst ein Opfer der unter seiner Verantwortlichkeit geschaffenen Sicherheitsgesetze geworden ist, die irrelevante und irrationale Tatbestände kriminalisieren. 
 
Jedenfalls hat die mittlerweile zur Staatsaffäre avancierte Lappalie großen Unterhaltungswert. Hans-Peter Friedrich, Sigmar Gabriel, Thomas Oppermann, BKA-Chef Jörg Ziercke und die Geheimdienste, sie alle scheinen in die Angelegenheit verstrickt zu sein. Wer hat wen und in welcher Form informiert? Wer lügt und wer erinnert sich nicht - oder falsch? Das ist der wahre Stoff für ein Boulevardstück, das es verdient hätte, verfilmt zu werden. 
 
 
Der traurige Abgang
 
Der Abgang Friedrichs erfolgte in der für ein Schmierentheater typischen melodramatischen Weise. Nach seinen eigenen Worten hat er eigenhändig der Bundeskanzlerin seinen Rücktritt angeboten, während es doch in Wirklichkeit so gewesen ist, daß Merkel ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hat. Es war regelrecht rührselig, als er erklärte (siehe Wortlaut seiner Rücktrittserklärung), mit welcher Inbrunst, Leidenschaft und Herzblut er sein Amt als Landwirtschaftsminister ausgeübt habe und wie er es sich zu seiner Herzensangelegenheit gemacht hatte, „die ländlichen Räume zu stärken. Ich glaube, dass in den ländlichen Räumen die Zukunft unseres Landes liegt – mir vorgenommen habe, die Wertschätzung der Bevölkerung für die Arbeit unserer Landwirtschaft zu erhöhen.“ Ist das nicht herzzerreißend?
 
Aber es kommt noch besser. Das Theaterstück endete mit einem emotionalen Schlußakkord:
 
„Ich wünsche meiner Nachfolgerin, meinem Nachfolger für diese Aufgabe alles Gute, Gottes Segen. Und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Haus, einer tollen Truppe, alles Gute für die Zukunft. Und Ihnen, meine Damen und Herren, sage ich auf Wiedersehen. Ich komme wieder! Vielen Dank.”
 
Schöner hätte man seinen Abgang nicht verklären können, in dem man auch noch den "lieben Gott" mit einbezieht! Aber eines gibt mir doch noch zu denken: Müssen wir die Drohung Friedrichs ernst nehmen, daß er wiederkommen will?
 
 
Bildquellen:

1. Protestplakat: während der Demonstranten auf der "Freiheit statt Angst" 2013 in Berlin kritisieren die Rolle und Äußerungen des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich in der NSA-Affäre. Foto: Tobias M. Eckrich Quelle: Wikimedia Commons. (wurde gelöscht!) Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.

2. Hans-Peter Friedrich: war`s das endlich oder kommt er tatsählich wieder? Foto: Wiki User Freud Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter den Creative Commons-Lizenzen Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert, 2.5 generisch, 2.0 generisch und 1.0 generisch lizenziert.
 
3. MonsantoD-Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de

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MfG Peter A. Weber
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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Sankt Nimmerleinstag


Armer Ex-Landwirtschaftsminister Friedrich.
Jetzt bist Du doch hochkant aus dem Merkel-Tempel geflogen. Raus aus dem DreamTeam.

So eine Sauerei! Und dass auch noch mit der handelsüblichen Entlassungsfloskel „Mit Respekt und Bedauern“ der Eisernen Lady.  
Herzzerreißend, wie Dich die Deinigen auf dem Kleinen Parteitag in Bamberg geherzt und getröstet haben.
Der tapfere Horstl (siehe Foto) hat sogar öffentlich für Dich das Messer der Rache gewetzt. Man hat es ihm förmlich angesehen.

Die ganze Nation ist jetzt aus dem Häuschen, weil Du gesagt hast, dass du wiederkommen willst.
Hoffentlich am Sankt Nimmerleinstag.
 

Marie-Luise Volk

 

 

 

 

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Friedrichs Abgang war großes Kino


Das war großes Kino, nicht kleingeistiges Schmierentheater!


Lieber Peter A. Weber,

hätte ich Dich nicht schon durch viele fundierte Beiträge im Kritischen Netzwerk als aufgeklärten Menschen kennengelernt, würde ich bei mir gedacht haben:

  • Wovon träumt der Mann eigentlich?
  • Was erwartet er von einer Bundesregierung unter Merkel, wenn nicht "kleingeistiges Denken" im Sinne einer "Begünstigungspolitik zum Vorteil der Wirtschaft und des Kapitals"?
  • Ist er naiv?
  • Denkt er wirklich, dass "Hans-Peter Friedrich letztendlich über einen für das Gemeinwohl unerheblichen Lapsus gestolpert" sei?
  • Seit wann ist es der Großen Koalition um das Gemeinwohl gegangen?
  • Meint er wirklich, dass das Treiben des ehemaligen Innenministers nur daran krankte, dass "die Oberaufseherin in der Weise einer spröden Gouvernante ihren Zöglingen keine Luft zum Atmen läßt"?
  • Wie kann er im Ernst monieren, das "im Fokus des Strebens nicht die Aufgabenstellung, gravierende Fehlentwicklungen zu korrigieren und die Weichen für die Zukunft weitsichtig auszurichten" stünde?

Genau das tut doch die Kanzlerin im Sinne ihrer Auftraggeber: Weichen weitsichtig stellen zur Optimierung der Verwertungsbedingungen des Kapitals, gravierende Fehlentwicklungen (beispielsweise bezüglich der Sozialgesetzgebung durch Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung und so weiter) zu korrigieren, so wie es ex-Kanzler Gerhard Schröder auf breiter Front begonnen hat.
 
Du schreibst: "Während seiner Amtszeit als Innenminister hat er auf der ganzen Linie versagt". Das würde ich so nicht behaupten wollen. Er hat genau das erreicht, was zu tun war im Sinne der Komplizenschaft zwischen den Five Eyes (USA, Kanada, GB, Australien und Neuseeland) und dem BND. Möglichst schnell das Thema beenden, nichts von transatlantischem Zerwürfnis innerhalb der (Daten-)Räuberbande wissen wollen, vielleicht sogar noch ein Kooperationsabkommen (auf gleicher Augenhöhe) herausschinden, Mitspielen in der ersten Liga zur Sicherung der Ausbeuter-Ordnung rings um den Erdball. Das hat er doch in seinem Sinne prima, wenn auch für das Publikum nicht sehr glaubwürdig hinbekommen.
 
Der Mann war keine Fehlbesetzung, sondern ein Volltreffer für die Schlapphüte und ihre noch dunkleren Hintermänner, die grauen Herrn von den Kartellen. Auch wenn sie sich über Wirtschaftsspionage Sorgen machen, ging es ihnen doch darum, möglichst viel von der Konkurrenz zu erfahren und vom westlichen Geheimdienst-Kartell zu profitieren. Klar ist das für Otto Normal-User ein Skandal, aber diesen Abgrund hat die Bundesregierung mit ihrer Aufregung übers Abhören des Kanzlerinnen-Handys doch souverän übertüncht, dank nicht zuletzt Friedrichs Bemühungen, den Ball in Sachen NSA flach zu halten, um den BND für ein "No-Spy-Abkommen" mehr ins Spiel zu bringen. Also die Lizenz zum Lauschen außerhalb der BRD, auch in den USA womöglich. Es muss ja nur nach Recht und Gesetz gehen, dann passt es im Sinne der Bundesregierung. Gesetze lassen sich mit der 80-Prozent-Regierung problemlos gestalten bis hinein ins grundsätzliche, sprich grundgesetzliche. Friedrich war in der Logik seines Amtes also keinesfalls eine Fehlbesetzung, wenngleich für die Demokratie ein Skandal.
 
Nun wurde "ein politisch untergeordneter Vorfall – wie schon so oft – zur Staatsaffäre aufgebauscht", wie Du schreibst. Aber so unbedeutend ist der Vorfall nun auch wieder nicht, wenn ein Geheimnisträger sein Herrschaftswissen parteipolitisch nutzt und Amtsgeheimnisse ausplaudert, wenn auch nur um "zu warnen". Stell Dir vor, er hätte über Dich ein Gerücht in Umlauf gebracht, das Dir Deinen beruflichen Werdegang versaut; das wäre Rufmord, üble Nachrede, Geschäftsschädigung in einem. Da er natürlich auch über andere Politiker mehr weiß als ihnen lieb sein kann, war er für eine Regierung, deren Chefin nicht nur um den Spott über ihre schlechte Frisur besorgt sein muss, nicht länger tragbar. Wer über Leichen unterm Teppich plaudert, gilt nicht einmal mehr für's Agrarische als verlässlich, wo unter dünner Krume die fettesten Skandale lagern können.
 
Richtig falsch wird die Analyse, wenn Du konstatierst: "Tragisch für Friedrich ist der Umstand, daß er nun selbst ein Opfer der unter seiner Verantwortlichkeit geschaffenen Sicherheitsgesetze geworden ist, die irrelevante und irrationale Tatbestände kriminalisieren." Er ist nicht über Sicherheitsgesetze gestolpert, auch nicht über irrelevante oder gar irrationale Tatbestände gestrauchelt, sondern wegen seiner offenbar zu indiskreten und missbräuchlichen Ausübung seines mächtigen Amtes. Denn Sozialdemokraten darf man keine Staatsgeheimnisse anvertrauen, das gilt wohl immer noch. Es wurde ihm zum Verhängnis.
 
"Ein Boulevardstück, das es verdient hätte, verfilmt zu werden" ist das gewiss nicht. Es würde das Publikum nur anekeln oder wahlweise anöden, je nach Kenntnisstand. "Herzzerreißend" allerdings, da stimme ich Dir ungeteilt zu, ist der emotionale Schlußakkord: Friedrich als gestrauchelter Dienstherr "einer tollen Truppe", der "Gottes Segen" wünscht und im selben Atemzug droht: "Ich komme wieder!" Von Unrechtsbewusstsein keine Spur. So war Friedrich, so wird er wohl für immer sein: Ein verlässlicher Mann für's Grobe, ein "sicheres" Risiko für seine potenziellen Opfer. Er wird's vielleicht als Kriegsminister noch unter Beweis stellen können, falls er berufen wird.
 
Wolfgang Blaschka, München

 

Bildquellen:


1. Angela Merkel - Dienerin für`s Kapital.  Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de

2. Skelett am Stock. Foto: Dieter Schütz. Quelle: Pixelio.de

 

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Träumer und Naivlinge


Träumer und Naivlinge


Man kann die Worte verdrehen, wie man will. Wenn ich etwas glossiere, kann ein anderer es für bare Münze halten. Wenn ich schon gefragt werde, wovon träume, dann antworte ich offen und ehrlich: erstens von einem persönlichen guten und erfüllten Leben und zweitens von einer besseren Welt! Denn ich bin fest davon überzeugt, daß die Welt ohne Menschen mit weit reichenden Zielen und Utopien noch schneller in den Dreck absinken würde.

Auch nehme ich es gerne in Kauf, deshalb als naiv verschrieen zu werden - die Bezeichnung als Träumer sehe ich sogar als besondere Auszeichnung an. Das ist mir lieber, als im Pessimismus zu versauern. Meine Naivität geht allerdings nicht so weit, daß ich glaube, daß meine sämtlichen Vorstellungen noch während meines Lebens erfüllt werden. Ich kann sehr gut damit leben, daß ich es zumindest versucht habe. Die Friedrich-Show mag zwar für Dich "großes Kino" gewesen sein, aber eher Form von Kintopp auf Einzellerniveau. Ich muß Dich, lieber Wolfgang, schon wieder enttäuschen: Ich werde Dir in Zukunft auch weiterhin als Träumer und Naivling auf den Geist gehen!

Aber die grundsätzliche Frage, die sich aus Deiner Kritik ergibt, ist die Wahl der Logik beim Schreiben von kritischen Beiträgen. Wenn ich Deine Logik zugrunde lege, dann wird quasi jeder Autor zum Träumer und Naiven abqualifiziert. Es sei denn, er hebt an, die Taten und Entscheidungen der Apologeten mit Lobeshymnen zu bedenken und sie zu rühmen wegen ihrer perfekten Gefügigkeit gegenüber ihren Anweisungsgebern. Das wäre mal eine alternative Losung für das Kritische Netzwerk!

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Noch einige Gedanken zum Thema „Träumer“: Das schöne Volkslied „Die Gedanken sind frei“ verweist uns auf den Zusammenhang mit den Träumen. Man sagt auch manchmal: „Träumer sind die wahren Realisten“. Gewiß behaupten andere genau das Gegenteil. Aber wer weiß schon, was wirklich wahr ist?  Hier ein tiefsinniges Gedicht über das Thema:

 

Die Träumer sind die Ersten

von Fred Ape (Liedermacher)

 

„Die Klugen werden leise,

die Dummen werden schrein,

die Alten werden weise,

und die Jungen älter sein.

 

Die Frauen werden stärker,

die Männer werden weich,

die Reichen werden frieren,

und die Armen werden gleich.

 

Die Phantasie wird tanzen,

das Starre wird zerstört,

Giganten werden Zwerge,

und die Zauberer verehrt.

 

Die Satten werden fasten,

der Hunger wird geteilt,

die Langsamen getragen,

und der Eilige verweilt.

 

Die Träumer sind die Ersten,

die Kalten sind besiegt,

das Kleinere wird wichtig,

und das Große unterliegt.

 

Die Phantasie wird tanzen,

das Starre wird zerstört,

Giganten werden Zwerge

Und die Zauberer verehrt.

 

Die Zärtlichen gewinnen,

die Harten werden gehn,

die Schwätzer werden

sprachlos,

und die Ruhigen verstehn.“

 

Auch zur Naivität gibt es Sprüche ohne Ende, die sich bis in den Kern widersprechen. Natürlich wähle ich solche, die mir in den Kram passen wie:

Besser naiv als hoffnungslos“ oder noch besser „Alle Hoffnungen sind naiv. Aber wir leben von ihnen!“

 

MfG Peter A. Weber

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