Eigentum macht Bumm: Zum Wohnungs-Terrorismus

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von Ulrich Gellermann / RATIONALGALERIE


Eine terroristische Macht sucht Deutschland heim: "Vier Millionen Deutsche leiden unter Mietexplosion" - "In Großstädten explodieren die Mieten" - "Mietpreis-Explosion erreicht neue Rekorde" So ist es in Zeitungen zu lesen, in Medien zu hören. Noch kann der Innenminister keine Namen nennen, der Verfassungsschutz keine Verhaftungen vornehmen, aber es gibt erste sachdienliche Hinweise, es sei der "Wohnungsmarkt", dem diese Anschläge auf Leib und Leben zu verdanken seien. Nun wissen wir, dass der Markt mit einer unsichtbaren Hand begabt ist, man wird ihm deshalb nur schwer auf die Spur kommen. Doch die Opfer sind immerhin bekannt: Rund 300.000 Menschen in Deutschland sind obdachlos, Rentner, Studenten und Hartz IV-Empfänger können sich die Wohnungen des explodierten Marktes kaum noch leisten. Wie aber zündet der Markt seine Bomben?

Zwei Fälle aus Berlin können uns auf die Spur der Täter führen. Jüngst, im Berliner Szene-Bezirk Friedrichshain, besaß ein Chefarzt aus Hannover eine Wohnung. In der Wohnung lebte eine Frau bei günstiger Miete. Weil der Chefarzt Eigentümer ist, darf er Eigenbedarf anmelden, obwohl er nur dann und wann in der eigentümlichen Wohnung leben will. Sein Wohnsitz bleibt in Hannover. Aber das Berliner Landgericht findet das ärztliche Eigentum schützenswerter als die Mieterin. Deshalb hat es entschieden: Frau dauerhaft raus, Arzt für ein paar Besuche im Jahr rein. Das selbe Landgericht hatte schon vor ein paar Monaten in einem anderen wirklich schweren Fall von Eigentum zu entscheiden. Da hatte es sich die Firma "Terrial Stadtentwicklung GmbH" aus Biberach an der Riß zur Aufgabe gemacht, die Stadt zu entwickeln. Sie kaufte zu diesem Zweck ein Haus und wollte es modernisieren. Da störten die Mieter sehr. Manche verließen ihre Wohnung schnell, aber eine blieb und störte weiter. Doch weil die "Terrial" nun mal aufs Entwickeln versessen war, bauten sie der Mieterin eine neues Haus vor die Nase, da mussten dann die Fenster von Küche und Bad zugemauert werden. Das fand die Mieterin schlecht. Das Berliner Landgericht aber gut: Die Mauern blieben stehen.

Wahrscheinlich sind dem armen Landgericht einfach die Hände gebunden. Denn der § 903 des bürgerlichen Gesetzbuches legt fest: "Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren". Damit der Beliebigkeit nicht genug, haben die Vereinten Nationen in ihrer 1948 verabschiedeten Charta das Eigentum zum Menschenrecht erklärt. Und dem folgt das Grundgesetzt auf das Schönste, wenn es das Eigentum als Grundrecht begreift. Wenn also einem ein Eigentum gehört, dann kann er damit auf den Markt gehen und es meistbietend an den verhökern, der keines hat. Im Fall der Mauer-Wohnung führt das zu einer der zitierten Explosionen: Der Mietpreis der Wohnung wird sich nach dem Auszug der Mieterin verdoppeln. Bumm. Das gilt natürlich auch für die Eigenbedarfswohnungen, in der mal der Neffe, dann das eigene Büro oder eben die Zweit- und Drittwohnung untergebracht werden soll. Nach dem was man eine Schamfrist nennt, obwohl die Sache schamlos ist, stehen die Wohnungen wieder dem Terror-Markt zur Verfügung.
 

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