Zwei Großbritannien: Die Grenfell-Untersuchung und die königliche Hochzeit

von Thomas Scripps

grenfell_tower_conflagration_hochhausbrand_brandkatastrophe_celotex_flammable_panels_dame_judith_hackitt_combustible_cladding_facades_inferno_todesfalle_kritisches_netzwerk.jpgAm Montag nahm der staatliche Untersuchungsausschuss zum Brand im Grenfell Tower seine Arbeit auf. In den nächsten zwei Wochen wird er Zeugenaussagen von Freunden und Angehörigen der Opfer anhören. Der Brand vom 14. Juni 2017, der 72 Menschenleben forderte, ist eine der schwersten Katastrophen in der modernen britischen Geschichte.

Allerdings hielt keine einzige landesweit erscheinende Zeitung es für notwendig, auf ihrer Titelseite darüber zu berichten. Stattdessen setzten alle großen Medien am Montag ihre Rundum-Berichterstattung über die königliche Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle fort.

Schon am Sonntag hatten die zehn größten Zeitungen dem Thema mehr als 282 Seiten gewidmet, und die Daily Mail veröffentlichte zum Beispiel ein „prächtiges, 32-seitiges Souvenir-Fotoalbum“. Am Samstag [19.] hatte das Thema alle Kanäle beherrscht, und schon seit Wochen war der belustigten Öffentlichkeit jedes Detail mitgeteilt worden, von Markles Kleid über die Musik bis hin zu den Speisen und Getränke. Dabei wurde immer wieder betont, dass die „Royal Wedding“ etwas ganz besonderes sei, und dass die Tatsache, dass Harry, der an sechster Stelle der Thronfolge steht, eine millionenschwere amerikanische Schauspielerin mit schwarzer Mutter ehelicht, ein entscheidender Wendepunkt im Leben Großbritanniens darstelle.

Zu diesem Zweck wurde übermäßige Aufmerksamkeit auf die sogenannte „blackness“ der Hochzeit gerichtet: Markle und die beiden Gäste, Serena Williams und Oprah Winfrey, wurden als Inspiration für junge schwarze Frauen und als Symbolfiguren des Wandels bezeichnet. Bischof Michael B. Curry, der eine Predigt über Sklaverei, Bürgerrechte und eine christliche „Revolution“ auf der Grundlage der Liebe hielt, war ein weiteres sogenanntes Highlight, auch wenn viele der versammelten Royals darauf mit kaum verhohlener Verachtung reagierten.

Doch trotz allen Geredes über „Zugehörigkeit“ und „Diversität“ war die Zeremonie nichts weiter als eine Versammlung der Reichen und Mächtigen. Nur 600 Gäste waren zur Feier im Windsor Castle eingeladen. Der Gesamtwert ihres persönlichen Vermögens liegt zwischen sechzehn und einundzwanzig Milliarden Dollar.

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