Freitag, der 13. Wer Terrorkriege befeuert, wird Kriegsterror ernten

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Wolfgang Blaschka
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Verbunden: 09.11.2010 - 02:16
Freitag, der 13. Wer Terrorkriege befeuert, wird Kriegsterror ernten
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Freitag, der 13.


Wer Terrorkriege befeuert, wird Kriegsterror ernten


Ist nun Krieg oder nicht?

Wenn nein, wo ist er dann? Richtig: Anderswo, weit weg von hier im Mittleren Osten! In Europa sei er nicht, meinen viele, die bangen und hoffen, dass es keiner sei, zumindest dass er nicht auch noch zu uns kommen möge. Ansonsten müsste das kriegführende Europa seinen unverdienten Friedensnobelpreis beschämt zurückgeben.


Und dennoch tobt er.

Geplant und ausgebrütet in den USA, gezeugt und in blutige Realität gesetzt von der "Koalition der Willigen" (klick auf die Liste), gepäppelt und aufgezogen von allen wichtigen NATO-Staaten inklusive Deutschland, dessen BND als Geburtshelfer die Kriegslüge von den Massenvernichtungs-Waffen Saddam Husseins beizusteuern wusste. Er kam im Irak sehr schnell auf die Beine und verbreitete sich mit ungeheurer Brutalität, infizierte alles und jeden in der Region. Beinahe wäre er auch noch in den Iran hinein geraten, der missratene Racker, angestachelt von Israel. Er stand kurz davor im Atomkonflikt auf vermintes Gelände zu treten. Das schien seinen Urhebern denn doch zu unwägbar. Er sollte konventionell bleiben, um weiterhin führbar zu sein; wie am Stachelhalsband wurde er zurückgezerrt.

    
Der Krieg im Anderswo ist gar nicht so weit entfernt.

Nun hat ihn Paris in Ansätzen zu spüren bekommen, wie vorher bereits Madrid und London: 132 Menschen hat er kalt dahingerafft. So wie es unter seiner grausigen Herrschaft üblich ist, in Bagdad, in Tripolis, in Damaskus, Homs oder Aleppo, worüber im Westen weniger getrauert wird mangels unmittelbarer Betroffenheit. Doch manchmal scheint der Furor Heimweh zu bekommen. Er war schon vor Jahren ausgegangen, hatte sich von Lügen-Phrasen und Rachegelüsten berauscht fit gemacht und zog über die Länder, über Staaten hinweg wie über ein Schachbrett seine blutige Spur: Von Afghanistan in den Irak, von dort im Ausfallschritt nach Libyen und Mali, schließlich nach Syrien, wo er über 13 Millionen Menschen in die Flucht schlug, nachdem er sie mit unkontrollierbarem Treiben heimatlos gemacht hatte: Die Häuser zerbombt, die Existenzen kaputt, die Lebensperspektiven in Trümmern! Todesangst und Schreckensfurcht vor Bomben und Terror sind seine liebsten Gastgeschenke. Wo immer er hinkommt, hinterlässt er seinen welken Strauß aus Hass und Rachegefühlen, schwarz bebändert von Trauer und Schmerz.
     

 

Nun ist die Betroffenheit groß, dass er wieder mal in der Heimat vorbei geschaut hat. Nur ein düsterer Abend, und schon erkennen ihn alle als das, was er ist: Der Krieg, verharmlosend genannt "War on Terror", der von Anfang an als "War of Terror" losgelassen wurde, auf dass er anderswo wüte. Der nicht mehr kalkulierbare Horror, der einmal ausgebrochen vor nichts und niemandem mehr zurückschreckt, nicht einmal vor Eagles of Death Metal, ist für einen Tag auf Heimaturlaub zu seinen Eltern zurückgekehrt. Er traf lediglich auf feiersüchtiges Jungvolk und Fußballfans, nicht auf die mörderische Führungs-Elite. Deren dennoch entsetztes Erschrecken lässt sie jedoch nicht etwa zur Besinnung kommen, sondern gleich an ein weiteres Geschwisterchen denken: Ein neuer Krieg soll den älteren zur Raison bringen und mit Härte bezwingen.


Aus "Pray for Paris" soll sofort "Pay for Paris" werden.

Noch am selben Abend und bar jeder vernünftigen Reflexion, reflexhaft emotional: Wo der französische Präsident François Hollande vom Ausnahmezustand über ein Vierteljahr samt Militäreinsatz im Innern bis hin zur Grenzschließung alles zu blutverschmiert patriotischer "Sauce Hollandaise" zusammenrührt, vergisst er bei seiner Kriegserklärung offenbar, dass er, wollte er tatsächlich Schuldige treffen, seine eigenen Banlieues bombardieren müsste sowie die "Problem"-Gemeinde Molenbeek-Saint-Jean in Bruxelles, der Hauptstadt Belgiens mit ihrem NATO-Hauptquartier für Europa.
     
Von dort kamen die Terroristen, nicht aus Irgendwo. Sie haben syrische oder marokkanische Wurzeln, doch aufgewachsen sind sie in den trostlosen Vorstädten Europas, in der Tristesse rassistischer Ausgegrenztheit jener Metropolen, die ihre Heimat nie werden wollten. Sie sind Franzosen wie jene, die sie umbrachten. Wie Syrer töten im Bürgerkrieg. Wie Menschen eben Menschen zerfleischen im Krieg, der naturgemäß international und potenziell grenzenlos ist. Er lässt sich nur schwer eindämmen, gehorcht niemandem, solange er nicht bis zur Erschöpfung ausgefochten ist. Das ist das Drama seines selbstzerstörerischen Charakters. Man darf ihn gar nicht erst von der Leine lassen. Nun ist es zu spät. Er wird noch weitere Opfer fordern, bevor er in Agonie endet.
     
Der Krieg geht von den Metropolen aus in die Peripherie und schlägt auf die Metropolen zurück. Es ist wie beim Wettlauf vom Hasen und vom Igel: »Ick bün all dor«, (»Ich bin schon hier«). Der Igel brauchte sich gar nicht zu bewegen. Der Krieg war immer schon da, als Krieg der Saturierten gegen die Habenichtse, im Kampf der Reichen gegen die Armen, der Kapitaleigner gegen die Arbeitenden, der Franzosen gegen die Kolonialvölker. Solange dieser Klassenkampf nicht endet, wird auch der Krieg weltweit nicht aufhören. Der Kapitalismus braucht den Krieg, sagt sogar Papst Franziskus, der ihn bereits als Teil eines Dritten Weltkriegs erkannt haben will, jedenfalls kommt er zu dem Schluss: "Diese Wirtschaft tötet", wirtschaftlich, politisch, militärisch. Diese Erkenntnis will dem Kriegsprediger Gauck nicht so recht schmecken. Er möchte den Krieg nur zu gern als notwendige Polizei-Maßnahme verbrämt beschwören und geradezu herbei reden anstatt vor ihm zu warnen, ähnlich wie sein viel mächtigerer Präsidenten-Kollege Hollande. Auch bei dem ist kein Innehalten.
 

Der Krieg ist die großzügigste und wirkungsvollste ‘Reinigungskrise zur Beseitigung der Überinvestition’, die es gibt.

Er eröffnet gewaltige Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstlicher Nachhilfe möglich ist.

So ist der Krieg das beste Mittel,
um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssystems immer wieder hinauszuschieben.
Ernst Winkler
Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung, 1952


Stattdessen mussten es nun französische Rafale-Jets nach altbewährter Art besorgen. Die Stellungen, die sie bombardierten, sollen allerdings vorher bereits geräumt gewesen sein. Ein Ofenschuss war es dennoch nicht, denn der Krieg befeuert den Krieg, der Terror den Gegenterror und umgekehrt. Ohne Terror kein Kriegsgrund, und ohne Krieg zuwenig Terror für einen Krieg. Es geht schließlich um Werte! Die Börsen nahmen es nach dem Wochenende gelassen, quasi als Business as usual. Die "Bild am Sonntag" dagegen lief zur kreuzzüglerischen Höchstform auf: "Gott steh uns bei", ließ sich ihre Chefredakteurin Marion Horn zu Dimensionen aufschwingen, wie sie ein Dschihadist nur mit dem Ruf "Allah ist groß" konterkarieren könnte. "Wir werden uns nie wieder sicher fühlen können. Denn die IS-Schlächter sind jetzt mitten in Europa. Wem es hilft, der solle beten, hat de Maizière gesagt. Er tue es. Das ist gut. Denn Gott steh uns bei bei dem, was jetzt vor uns liegt". Die Schlagzeile daneben gibt die Antwort als Frage: "Müssen wir jetzt in den Krieg ziehen?" Der Dschihadist steht bereits mittendrin, er hätte es kaum religiöser, nur spiegelbildlich umschreiben können.
     
"Wir müssen den ISIS-Terror dort bekämpfen, wo er herkommt: In Syrien und im Irak. Und zwar härter als bisher. Erbarmungsloser. Nicht nur mit Geld und Waffen. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal schreiben würde, aber jetzt tue ich es." Die Sicherungen sind durchgebrannt. Unter der dünnen Lackschicht der "Pressefreiheit" platzt die blanke Enthemmung zum grundgesetzwidrigen Angriffskrieg hervor: "Entweder wir Europäer sind jetzt bereit, geschlossen für unsere Freiheit und unsere Werte mit allen Mitteln zu kämpfen, oder wir sind die längste Zeit frei gewesen." So ähnlich denkt auch der Dschihadist, wenn er seine Lebensart in Paris, der "Hauptstadt der Unzucht und der Laster" mit brutalsten Mitteln vor der "gottlosen Verderbtheit" gegen die Kreuzzügler "verteidigt".
     
Wie strukturell ähnlich die Protagonisten des Krieges einander doch sind! Besonnenheit steht nicht gerade hoch im Kurs nach diesem Freitag, dem 13. November. Dennoch hat es ein bisher unbekannter Musiker zumindest versucht in seinem Liedtext: "Ihr seid wütend, wir können's verstehen, doch diesen Weg voll Hass zu gehen, löst kein bisschen das Problem. Aus Angst wird Hass, aus Hass wird Krieg, bis die Menschlichkeit am Boden liegt, bis hier alles explodiert und jeder den Verstand verliert". Und Alex Diehl schließt daraus: "Ich hab zuviel Angst, um still zu sein. Es ist nur ein Lied, doch ich sing's nicht allein. Ihr könnt Hass verbreiten, Ängste schüren, doch ihr werdet diesen Kampf verlieren, denn wie John Lennon glauben wir daran: The world will live as one".
     
Bei allem Drang nach Anteilnahme und Solidarisierung mit den Opfern des Terrors sollten wir uns hüten in falscher Überidentifikation zu Parisern zu mutieren und trotzig zu bekennen: "Je suis Paris". Denn es gibt nicht nur Paris als Paradies. Es gibt deren mehrere: Das politische Paris des Krieges, das zivile Paris der guten Laune, der Lust und der Liebe, und das vergessene Paris der Vorstädte. Was es aber tatsächlich gibt, ist die eine Welt, in der wir leben. Sie zu verteidigen gegen die Arroganz der Terrorkrieger auf beiden Seiten ist das beste, was wir den vielen Toten und Verletzten und uns selbst zuliebe tun können im Zeichen des Friedens unter dem Eiffelturm: Ohne nationalistische Aufwallung, ohne rassistische Ressentiments und im Bewusstsein eines langen Weges im Kampf gegen die Kriegslogik der Herrschenden, gegen Ausbeutung und Ausgrenzung, gegen Hass und Gewalt.  

Wolfgang Blaschka, München
 


 

Lesetipps:


1. Wie man einen Terroranschlag vorläufig klassifizieren kann - weiter.

2. Nordatlantikvertrag: Acht Gründe für den Austritt Deutschlands aus der NATO - weiter.


Bild- und Grafikquellen:


1. "Krieg ist Terror mit einem größeren Budget." Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de

2. Der Panavia 200 (PA-200) Tornado ist ein zweisitziges Mehrzweckkampfflugzeug das von den Streitkräften Deutschlands, Großbritanniens, Italiens und Saudi-Arabiens als Jagdbomber, Abfangjäger und Aufklärungsflugzeug eingesetzt wird. Foto: Ronny Stiffel. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. "Moutons du Monde - Sheeple of the World - Schafe dieser Welt: P[R]AY FOR PARIS." Yours sincerely . . . CIA, FBI, NSA, MOSSAD, MI5, BRGE, BND . . and more. Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de

4. Glühende Panzerkanone. Der NATO-Imperialismus unter der Fuchtel der USA ist weiter auf dem Vormarsch. Sollte man die Freiheit wirklich am Hindukusch verteidigen, oder vielleicht nicht doch eher am Hudson River oder in Washington? Foto: Andreas Dengs, www.photofreaks.ws / Pixelio.de.

5. NATO IMPERIALISM - THE HIGHEST STAGE OF CAPITALISM. Grafik: by Domain-of-the-Public. NATO, the North Atlantic Terrorist Organization, leads the world in capitalist oppression and imperialism. "Imperialism is the highest stage of Capitalism" is from Lenin. Fuck NATO! Verbreitung: EVERYTHING ALWAYS PUBLIC DOMAIN! You are free to do anything you can imagine to/with this. Quelle: DEVIANT ART > NATO IMPERIALISM. DEVIANT ART the largest online social network for artists and art enthusiasts, and a platform for emerging and established artists to exhibit, promote, and share their works with an enthusiastic, art-centric community.

6. Angela Merkel: "Keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen." Der Deutsche Rüstungsexport bezeichnet den Außenhandel von Unternehmen und Konsortien aus der Bundesrepublik Deutschland mit Rüstungsgütern und Kriegswaffen. Deutschland ist laut SIPRI-Studie für den Zeitraum von 2010-2014 weltweit nach den USA (31 Prozent), Russische Föderation (27 Prozent) und China (?) der viertgrößte Waffenexporteur mit 5 Prozent Weltmarktanteil, gefolgt von Frankreich mit ebenfalls 5 Prozent. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress..