Leitfaden zur Leidkultur: Harte Hilfestellung aus Hardheim

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Wolfgang Blaschka
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Leitfaden zur Leidkultur: Harte Hilfestellung aus Hardheim
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Leitfaden zur Leidkultur

Harte Hilfestellung aus Hardheim

Während die AfD die Kanzlerin als "Schlepperin" verklagt, die bayerische CSU-Staatsregierung dem Bund mit Verfassungsklage droht und SPD-Gabriel eine "Ankommenskultur" von den in Deutschland angekommenen Flüchtlingen einfordert, möchte die 4600-Seelen-Gemeinde Hardheim in Baden-Württemberg gleich von Anfang an Pflöcke einrammen, um klarzumachen, wie es in der "Perle des Odenwalds" zuzugehen hat: Per "Hilfestellung und Leitfaden für Flüchtlinge" sollen den 1000 Ankömmlingen in der verwaisten Carl-Schurz-Kaserne echt deutsche Manieren beigebogen werden. In Hardheim geht Willkommenskultur immer noch einen Zacken härter ! 
 
"Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann!", beginnt der holprig gestopselte Flüchtlings-Knigge bemüht einfühlsam: "Willkommen in Deutschland, willkommen in Hardheim. Viele von Ihnen haben Schreckliches durchgemacht. Krieg, Lebensgefahr, eine gefährliche Flucht durch die halbe Welt. Nun ist es vorbei. Sie sind jetzt in Deutschland". Dann geht es deutsch zur Sache: "Nun liegt es an Ihnen, dass sie [klein geschrieben] nicht fremd bleiben in unserem Land, sondern ein Zusammenleben zwischen Flüchtlingen und Einwohnern erleichtert wird.

Eine Bitte zu Beginn: Lernen sie
[tatsächlich konsequent klein geschrieben] so schnell wie möglich die deutsche Sprache, damit wir uns verständigen können und auch sie [wiederum klein geschrieben] ihre [dito] Bedürfnisse zum Ausdruck bringen können." Vor allem aber, damit die Adressaten diesen von Rechtschreibfehlern durchwobenen Schrieb überhaupt auch nur ansatzweise entziffern können. Die dazu nötigen Sprachkurse in Deutsch sollten am besten direkt im Rathaus stattfinden.
 
Weiter im Text: "In Deutschland leben die Menschen mit vielen Freiheiten nebeneinander und miteinander: Es gibt Religionsfreiheit für alle. Frauen dürfen ein selbstbestimmtes Leben führen und haben dieselben Rechte wie die Männer. Man behandelt die Frauen mit Respekt." Aber natürlich nicht nur Frauen. Mindestens ebenso wichtig ist: "In Deutschland respektiert man das Eigentum der anderen. Man betritt kein Privatgrundstück, keine Gärten, Scheunen und andere Gebäude und erntet auch kein Obst und Gemüse, das einem nicht gehört." Denn: "Deutschland ist ein sauberes Land[,] und das soll es auch bleiben! Den Müll oder Abfall entsorgt man in dafür vorgesehenen Mülltonnen oder Abfalleimer[n]. Wenn man unterwegs ist, nimmt man seinen Müll mit zum nächsten Mülleimer und wirft ihn nicht einfach weg." Immerhin zurückhaltend: Mülltrennung und Kehrwoche werden (noch) nicht abverlangt.
 
"In Deutschland bezahlt man erst die Ware im Supermarkt, bevor man sie öffnet." Offene Ware vom Markt oder im Tante-Emma-Laden ließen sich demnach einfach so mitnehmen? Na-na, hier tut sich anscheinend eine "Gesetzeslücke" auf! Doch dann folgt der Tip fürs Leben schlechthin: "In Deutschland wird Wasser zum Kochen, Waschen, Putzen verwendet." Wer hätte das gedacht?!
 
Vermutlich kommt in Hardheim vor lauter Reinlichkeitsfimmel und Chlor-Desinfektion nicht mal genießbares Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Anscheinend wird Leitungswasser hier nicht getrunken. "Auch wird es hier für die Toilettenspülungen benutzt. Es gibt bei uns öffentliche Toiletten, die für jeden zugänglich sind." Klar, das haben die Römer erfunden, die ja auch in Syrien waren, und überhaupt: "Pecunia non olet", Geld stinkt nicht. "Wenn man solche Toiletten benutzt, ist es hierzulande üblich, diese sauber zu hinterlassen." Hört, hört: Welch analfixierte Reinlichkeits-Ratschläge aus dem blitzblanken BaWü! Händewaschen nicht vergessen!
 
"In Deutschland gilt ab 22.00 Uhr die Nachtruhe. Nach 22.00 Uhr verhält man sich dementsprechend ruhig, um seine Mitmenschen nicht zu stören." Damit sind vermutlich nicht die deutschen 490 Brandanschläge und Angriffe auf Schutzsuchende bereits in diesem Jahr gemeint, denn die gehen meist still und heimlich vonstatten, verübt von bisher "unbescholtenen Bürgern", wie de Maizière zu berichten weiß. Hauptsache, Rassisten und Nazis machen keinen Lärm beim Anzünden. Hilfeschreie haben nachts zu unterbleiben.
 
"Auch für Fahrräder gibt es bei uns Regeln, um selbst sicher zu fahren, aber auch keine anderen zu gefährden. (Nicht auf Gehwegen fahren, nicht zu dritt ein Rad benutzen, kaputte Bremsen reparieren und nicht mit den Füßen bremsen)." So halten die gespendeten Turnschuhe nämlich auch deutlich länger. "Fußgänger benutzen bei uns die Fußwege oder gehen, wenn keiner vorhanden, hintereinander am Straßenrand, nicht auf der Straße und schon gar nicht nebeneinander." Das dürfen nur Neonazis im Verein mit "besorgten Bürgern" bei ihren polizeilich geschützten Aufmärschen.
 
"Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht in Gärten und Parks, auch nicht an Hecken und hinter Büschen." Vergessen wurden hierbei allerdings einzelstehende Bäume oder lockere Baumgruppen, Laternenmasten und Verkehrsschilder. Entsprechende Verbotsschilder könnten bei jedem Volksfest angebracht werden, eigentlich an jeder Hausmauer, jedem Gartenzaun.
 
Dann wird es ganz ernst: "Junge Mädchen fühlen sich durch Ansprache und Erbitte von Handy-Nr. und facebook-Kontakt belästigt und wollen auch niemanden heiraten." Hier scheint der Hase eben im Pfeffer zu liegen. Weil die Mädels nicht mehr heiraten wollen, sterben die Deutschen aus. Am besten, man straft sie durch Nichtbeachtung. Freundliche Ansprache könnte sie nur verwirren. Die "Erbitte" oder das "Erbitten" von Kontaktdaten sind in jedem Fall generell zu unterlassen, da Betteln ohnehin nicht statthaft ist.
 
"Auch wenn die Situation für sie [schon wieder!] und auch für uns sehr beengt und nicht einfach ist, möchte ich sie [grrr!] daran erinnern, dass wir sie [verdammte Hacke!] hier bedingungslos aufgenommen haben." Selbstverständlich zu unseren Bedingungen, die Sie hier lesen konnten oder auch nicht. "Wir bitten sie [pffh!] deshalb diese Aufnahme wert zu schätzen und diese Regeln zu beachten, dann wird ein gemeinsames Miteinander für alle möglich sein." Aber nur dann! Gegen diese harsche Lokalverfassung liest sich das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wie eine Verheißung, nicht zuletzt auch stilistisch und orthographisch.
 
Seine herablassenden Benimm-Regeln verteidigt der Bürgermeister Volker Rohm von den Freien Wählern nach wie vor, obwohl er aufgrund massiver Kritik bereits marginale Detail-Änderungen an seiner örtlichen Kasernen-"Verfassung" vornehmen musste. Die hier wortgetreu in grüner Schriftfarbe zitierte Ur-Fassung (veröffentlicht am 6. Oktober 2015 im Netz) würde garantiert gut ankommen bei den Menschen, die dieses Geschwurbel zum Glück nicht lesen können. Zumal es mit dem Arabischen im Bürgermeisteramt von Hardheim vermutlich noch ärger hapert als mit Deutsch. Ein fröhliches "Salem aleikum, habibi", hätte zumindest ein schlichter Anfang gewesen sein können, um Kontakt herzustellen. Doch genau der ist offenbar nicht erwünscht. Am besten, die Not-Einquartierten lassen sich im Ort gar nicht erst blicken. Im Übrigen spricht man ja bekanntlich sehr gut deutsch in der Gegend. Ob die Integration dieser Gemeinde in die Zivilgesellschaft gelingen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht war Merkels ermunterndes "Wir schaffen das" doch etwas zu voreilig.

Wolfgang Blaschka, München
 



► Erstveröffentlicht  am 15.10.2015 bei RATIONALGALERIE > Artikel.

Bild- und Grafikquellen:

1. Die Neuerscheinung 2015: Der Flüchtlings-Knigge. Hilfestellung und Leitfaden für Flüchtlinge. Leitfaden zur Leidkultur. Herausgeber: Volker Rohm, Bürgermeister der Gemeinde Hardheim. Erschienen im Eigenverlag der Gemeinde Hardheim. Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa) / QPress.de.

"Über den Umgang mit Menschen"  ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge (1752–1796). Es erschien erstmals im Jahre 1788. Das Buch beschäftigt sich mit „guten Umgangsformen“ und nicht mit Etikette. 1788 erschien Knigges Sammlung von Umgangsregeln, häufig kurz „Knigge“ genannt, in der ersten Auflage. Im selben Jahr erschien eine zweite Auflage. Die dritte und vierte Auflage des Knigge-Buches erschienen in den Jahren 1790 und 1792. 1796 erschien die fünfte Auflage (Ausgabe letzter Hand). Quelle des Originalbildes: Titelblatt der 1. Ausgabe zu finden bei Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

2. "In Deutschland wird Wasser zum Kochen, Waschen, Putzen verwendet." Wer hätte das gedacht?! Asylbewerbern sollen durch solch dumpfen Aussagen möglichst schnell die deutschen Spielregeln nähergebracht werden. Die Hardheimer Benimm-Regeln jedenfalls sind ein jämmerlicher Versuch.

"Integration ist nicht immer einfach", sagte Bürgermeister Volker Rohm unlängst in einem Interview mit Stern-TV. "Wichtig ist, den Leuten klar zu machen, sie sind hier Gast, sie sind hier willkommen. Aber sie haben durchaus auch Pflichten. Das heißt, sie müssen sich sowohl was Weltbild, was Toleranz, aber auch was das eine oder andere Verhalten betrifft, an unsere Standards gewöhnen." Klingt erstmal ganz ok, aber was genau meint Rohm mit "Weltbild"?

Deutschlands Waffenlieferungen als viertgrößter Exporteur der Welt? Die Bombardierung von Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, Libyen . . . durch die kriminelle bzw. terroristische Organisation namens NATO? Oder die neokolonialistische, kapitalistisch-menschenverachtende Ausbeutung von Arbeitskräften in Billiglohnländern Afrikas und Asiens? Oder die mit erbärmlicher Staatsräson und mehreren vom dt. Steuerzahler überwiegend selbst bezahlten U-Booten geleistete Unterstützung für den rassistisch-faschistischen Besatzerstaat Israel, dessen Regierungen der letzten Jahrzehnte den Palästinensern systematisch Land raubt und sie wie in einem Gefängnis hält? Oder die als wichtiges  EU-Mitgliedsland forcierte Austeritätspolitik, die zu einer Verarmung von Millionen Menschen führt? Oder die einst funktionierende Entspannungs- und Freundschaftspolitik mit Russland durch die systematische NATO-Osterweiterung und die Wirtschaftssanktionen nachhaltig zu schädigen?

Foto: jakobsweg.ch. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

3. Toiletten-Regeln: "Bitte hinsetzen, Hände waschen nicht vergessen . . ." Foto: HDValentin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

4. HINWEISSCHILD: "Der Aufenthalt ist nur zum Zwecke der Verrichtung der Notdurft gestattet. Bei darüber hinaus . . . ."Verfall und Notdurft: An einer sehr gut besuchten Location in München, was für ein romantisches Plätzchen. Foto: Traveller_40. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

5. NO to NATO. We say NO to the North Atlantic Terrorist Organization. Grafik: CaptainVoda, Greece. Quelle: DEVIANT ART > NO to NATO. DEVIANT ART the largest online social network for artists and art enthusiasts, and a platform for emerging and established artists to exhibit, promote, and share their works with an enthusiastic, art-centric community.