NOlympia: Die Bayern genügen sich selbst

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Wolfgang Blaschka
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NOlympia: Die Bayern genügen sich selbst
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NOlympia


Die Bayern genügen sich selbst


Es hat alles nichts genützt: Die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 in der Alpenregion ist ein teurer Fall für die Ablage P geworden. Mag auch noch so vehement dafür von der Stadtspitze über die bayerische Landesregierung bis hin zu den deutschen Sportverbänden geworben worden sein, die abstimmungsberechtigten Bewohner der vier  Gemeinden haben sie eiskalt abblitzen lassen. Nicht nur in einer der Kommunen, was schon für das "Aus" genügt hätte, sondern in allen vieren. Nicht nur die mietpreissteigerungsgeplagten Münchner haben mehrheitlich "Nein" gesagt (52,1 %), auch die am Königsee (54 %), die unter der Zugspitze (51,6 %) und in Traunstein (59,7 %). Der betroffene Bayer gab also den "Homo substainibile", der nachhaltig die Substanz bewahrt, anstatt diese für Brot und Spiele auf's Letztere zu setzen.



 
Dabei hatte der Münchner Oberbürgermeister noch groß getönt, diese historisch einmalige Chance dürfe man sich nicht entgehen lassen, schon um aller Welt zu beweisen, wie nachhaltig die Anlagen für die Sommerspiele 1972 auch 50 Jahre danach noch genutzt würden. Und überhaupt, wie der Winter-Event doch die Infrastruktur stärken, das Image der Alpenregion befördern und sogar 1300 bleibende Wohnungen abwerfen würde. Als könne man die nicht auch ohne den spektakulären Vorwand errichten. Man hat doch jetzt jede Menge Kohle übrig, die ansonsten für nur 14 Tage verpulvert worden wäre.
 
Sie hatten sich das so schön vorgestellt: Alphornbläser hätten die Eröffnungsfeier im Münchner Olympiastadion feierlich eröffnet, Schihaserl-Hostessen gleich hinterm Rathaus die Medaillen präsentiert, eine riesige temporäre Schanze vom Olympiaberg herunter hätte ins Snowboard-Paradies zu dessen Fuß geführt, alles künstlich beschneit und eingezuckert in ein gigantisches Werbeprogramm für bajuwarische Lebensart. Alle Welt hätte gedacht, dass in München Schnee im Winter läge, und nicht jener Großstadt-Matsch, den es überall in Ballungszentren gibt, wo mal ein paar Flocken fallen. Sogar den Olympia-Waldi, das Maskottchen von damals, hätten manche gern reaktiviert, diesmal vielleicht mit einem Winter-Cape und kecken Stiefeln an den Stummelbeinchen. Zum Skispringen dann auf der Autobahn nach Garmisch-Partenkirchen, zum Rennrodeln eine Stunde länger ins Berchtesgadener Land, selbstverständlich auf einer VIP-Spur, die sonst niemand benutzen dürfte außer Sportler und deren Funktionäre, vielleicht noch einzelne unverzichtbare Journalisten, eventuell die von BILD. Vor der Abstimmung haben sie sich in ihren Slogan schon mal probehalber ziemlich anwanzig eingebettet: "Holen wir die Spiele hoam". Das mit der journalistischen Ausgewogenheit war mal. Das mit den kurzen Wegen war beim letztenmal.

 


 Würden griechische Zeitungen so titeln, ginge das historisch in Ordnung. Das krisengebeutelte Hellas könnte es wahrlich gebrauchen. Und der gesamten Menschheit wäre gedient, wenn der neuzeitliche Wanderzirkus endlich dorthin zurückkehrte, von wo die altertümliche olympische Idee ihren Ausgang nahm. Dann ließe sich dort tatsächlich nachhaltige Infrastruktur vom Feinsten erbauen, und man hätte obendrein die Gewähr, dass klimatisch immer vergleichbare Rahmenbedingungen herrschten, zu den Sommerspielen mediterran; und im Winter an den Flanken des Olympos läge vielleicht sogar ein bisschen Schnee. Kontinuierliche Tourismuswerbung dürfte die griechische Wirtschaft langfristig beleben. Bei immer gleicher Kulisse könnten Fernsehsender dem Publikum jener Nationen, bei denen es mal nicht so läuft wie gewünscht, die Siege ihrer Sportler aus der letzten Olympiade einmontieren. Bei den dauernden Ortswechseln haut sowas jetzt überhaupt nicht glaubwürdig hin.
 
Zur Nacktheit der Athleten zurückzukehren wäre vermutlich übertrieben, zuviele potenzielle Teilnehmerländer prüde absagen würden. Dabei ginge es ja eher um eine Erweiterung der Disziplinen: Großer Beliebtheit würde sich gewiss ein 400-Meter-Hürdenlauf der Burkaträgerinnen erfreuen. Etwas landestypischer: Lydisch, dorisch und phrygisch gesungene Rezitationen aus der Ilias vor, während und nach dem Diskuswurf. Auch ein Retsina-Kampftrinken oder ein Kalamari-Wettessen kämen in Frage. Gyros-Weitwurf, Säulenstemmen, Konsolen-Tragen und Sisyphos-Steinerollen, Äskulapstab-Hochsprung, Blitzeschleudern oder hermetisches Flügelschuhlaufen (gesponsert von Red Bull) wären ebenfalls heimische Sportarten, die es ins Programm einzuschmuggeln gälte. Nicht zu vergessen ein internationaler Vergleich stacksender Wachsoldaten: Griechen mit Bommeln an den Pantinen, Briten mit Bärenfellmützen, pardierende Russen und US-Amerikaner mit stolzgeschwellter Brust. Schade, dass es die DDR nicht mehr gibt, die NVA hätte Chancen gehabt. Das würde den friedlichen und friedensspendenden Charakter der Spiele deutlich unterstreichen, weil die Militärs jeweils 4 Jahre lang für den großen Auftritt üben müssten und für Kampfeinsätze keine Zeit mehr hätten. Aber nein, es muss ja in jedem Land mindestens einmal Sommer- oder Winterspiele gegeben haben, wenn nicht gleich beide Sorten in ein- und derselben Stadt.
 
Die Befürworter (Beckenbauer, Hoeneß, Uschi Glas und all die vielen Jasager) hatten ihren gesamten Propaganda-Apparat aufgeboten, ein Millionenbudget investiert, ganze Batterien von Plakatständern aufgestellt (gegen mickrige 250 der Gegner im gesamten Stadtgebiet), um die Botschaft ins Volk zu hämmern: Ja (zu den Knebelverträgen des IOC)! An Hausfassaden prangten überdimensionierte Werbebanner, etwa am Marienplatz vor dem Hugendubel, wohl auch zur Selbst-Berauschung der Olympi-Ja-Fraktionen im Rathaus. Ein bisschen arg viel "Ja" für ziemlich viel Schmarrn. Nicht einmal in der S-Bahn blieb man von der Ja-Sagerei in gnadenlosen Lautsprecher-Durchsagen verschont. Auf  heftige Beschwerden hin musste dieser MVV-Monopol-Missbrauch schließlich eingestellt werden. Der Gipfel städtischer Indoktrination war die aufdringliche Beilage eines Olympia-Bewerbungs-Prospekts zu den Wahlbenachrichtigungen, nebst ausführlicher Darstellung des Stadtratsbeschlusses von SPD und CSU. Zuviel kann eben auch genau das Gegenteil bewirken. Übertölpeln und zuscheißen lässt sich niemand gern. Die Finanzkräftigen haben es deutlich übertrieben. Die Wirksamkeit von Werbung findet dort ihre wohlverdiente Grenze, wo sie nur noch nervt.
 
Denn etwas wurde vergessen: Die Bayern sind zwar sehr von sich überzeugt und nicht gerade Weltmeister in Bescheidenheit, aber sie genügen sich vollauf. Sie brauchen kein Olympia-Spektakel zur Selbstdarstellung außer der Wiesn (Touristen kommen ohnehin das ganze Jahr über mehr als genug) und lassen sich ungern für blöd verkaufen. Weil:  "Bläd samma mia ned". Den Hang zum Größenwahn überlassen sie liebend gern den "Preußen", und dass sie selbst zum Skifahren an ihre "Hausberge" in die Alpen fahren müssen, daran hätten auch die Winterspiele nichts geändert. Nun können die allein für die Bewerbung geplanten 29 Millionen sinnvoller verwendet werden als dazu, IOC-Honoratioren zu umschmeicheln, zu überzeugen oder gar zu bestechen. Wer sich Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen oder München privat anschaun will, ist jederzeit herzlich, aber auf eigene Kosten willkommen, gern auch mit Familienanhang. Mit und ohne Schnee.

Wolfgang Blaschka, München
 



► Quelle:  Mein Artikel erschien vormals bei RATIONALGALERIE > Artikel

 

Bildlegende:


NOlympia – Olympische Ringe, Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs, QPress.de


The Fascinating Past and Origins of the Olympic Games, Quelle: GREEK REPORTER

Fesches Madl stemmt eine Maß Bier: Wohl bekomms. Foto: a4gpa from Provo, UT, USA – Quelle: Wikipedia, Verbreitung mit CC-Lizenz

 

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Aufruf: Ächtet Werbung und Propaganda!


Aufruf: Ächtet Werbung und Propaganda!


Endlich einmal eine erfreuliche Meldung aus Bayern. Es tut gut zu hören, daß sich noch nicht alle Bayern von den Honorationen des FC Bayern haben einfangen lassen. Der gesamte Tross von Promis oder solchen, die sich dafür halten, von Sportfunktionären, Sportlern und solchen, die dadurch reich geworden sind, von obskuren Ikonen und nicht zuletzt von den Protagonisten der  bürgernahen Parteien CSU und SPD: alle haben sich unisono von IOC, Wirtschaftslobbyisten und Pseudonationalen vor den Karren spannen lassen. All die Brechmittel der Gesellschaft und Anhänger der hehren olympischen Idee , die sich in ihrer Selbstzufriedenheit und Selbstbeweihräucherung suhlen, wollten dem einfachen Bürger weismachen, daß er auf Olympia in Bayern nicht verzichten kann. Dabei kam es ihnen doch nur darauf an, daß sie sich bei der Gelegenheit wieder in den Medien sonnen  und bei allen möglichen Events und öffentlichen Auftritten herumgereicht sowie sich auf Empfängen und Buffets vollstopfen können.


Der Schuß ging Gottseidank nach hinten los. Der Volkswille ist doch noch nicht gänzlich untergegangen und hat sich nicht den Propagandaparolen unterworfen. Ich lebe ja an der beschaulichen Mosel, fernab von jeglichem großstädtischen Getümmel. Wolfgang Blaschka hat die Werbeschlacht pro Olympia vor Ort erlebt und beschreibt ihre erschlagende Wirkung in seinem Beitrag „NOlympia - Die Bayern genügen sich selbst“ im Kritischen Netzwerk. Die Initiatoren und Finanziers der Kampagne haben es sich allerdings wohl selbst nicht träumen lassen, daß sie zu einem Rohrkrepierer entwickelte. Ich kann es am eigenen Leibe nachempfinden, wenn Werbung  derartig penetrant und zudringlich wird, daß man sich ihr nicht mehr entziehen kann. Irgendwann ist auch für den größten Werbefan der Augenblick gekommen, wo der Effekt kippt und in die Gegenrichtung ausschlägt.

Die Werbestrategen und –Fuzzis halten sich für oberschlau und unwiderstehlich. Trotzdem sind sie so dumm, nicht zu begreifen, daß des Guten auch mal zu viel sein kann. Ich glaube, daß die meisten Bürger sich dessen gar nicht mehr bewußt sind, was die allumfassende Werbung mit ihnen anrichtet. Sie sind an die allgegenwärtigen Werbebotschaften im Radio, im TV, in der Zeitung, auf der Straße, auf dem Arbeitsplatz, bei Spiel und Sport oder beim Arzt derartig gewöhnt, daß sie diese Aufdringlichkeiten als normal erachten. Ich empfehle jedem, daran zu arbeiten, diese Manipulationen als solche erkennen zu können und eine Aversion dagegen zu entwickeln. Von diesem Augenblick an verkehrt sich die Wirkung in ihr Gegenteil um und das beworbene Produkt wird unattraktiv und ablehnenswert.

Mein Traum ist es, daß ich den Augenblick noch erleben darf, wenn eine ausschlaggebende Menge an Menschen diese Überzeugungen teilt. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem selbst die Werbeindustrie und die dahinter stehenden Hersteller und Dienstleister einsehen, daß ihr Geld zum Fenster herausgeworfen ist, weil die Menschen wieder gelernt haben, sich eine eigene Meinung zu bilden.



MfG Peter A. Weber

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