Roger Waters - Musik und kritische Texte

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Peter Weber
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Roger Waters - Musik und kritische Texte
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Roger Waters – Musik und kritische Texte


Dieser Beitrag fällt etwas aus Reihe, da er sich nicht mit aktuellen politischen-, umwelt- oder gesellschaftskritischen Fragen beschäftigt. Er enthält auch keine ironischen Bemerkungen, ist relativ kurz abgefaßt und unkompliziert geschrieben: Er ist also für jeden verständlich und auch für  den eiligen Leser geeignet. Ich widme ihn Roger Waters, einem der Großen der Rockmusik, für den ich eine Lanze brechen möchte. Waters ist Mitbegründer der legendären Band Pink Floyd, mit der er 1979 sein bekanntestes Album „The Wall“ veröffentlichte. Heute hörte ich und schaute mir mal wieder eine alte DVD von Roger Waters an: „In The Flesh – Live“ von der Tour 2000. Diese enthält sowohl Stücke aus „The Wall“ als auch spätere und hat eine Spieldauer von 147:35 Minuten.


Imponierend ist schon alleine der Sound in bester Progressive Rock Manier, das kreative Arrangement der DVD und natürlich auch die Waters begleitenden erstklassigen Solisten, u. A. Terence Charles "Snowy" White (ex Thin Lizzy, Pink Floyd), Jon Carin und Andy Fairweather Low. Selbst wenn ich nicht auf die Texte achten würde, zieht mich die Musik in ihren Bann. Der Sound kommt mit einer derartigen Wucht über mich, daß ich mich dieser Faszination nicht entziehen kann - und will. Aber Musik ist ja bekanntlich Geschmackssache: daher ist es denkbar, daß nicht alle von dieser Machart begeistert sind.


Mir kommt es an dieser Stelle weniger auf die Musik an als auf die Songtexte. Bisher habe ich nicht so intensiv darauf geachtet, aber nun ließ ich die Texte im Untertitel mitlaufen. Ich war regelrecht erstaunt über die Qualität der Lyrik, die weitgehend politisch betont ist. Die Texte, die alle älteren Datums sind, sind in ihrer Gesellschaftskritik und hinsichtlich ihrer politischen Thematik noch höchst aktuell. Damit habe ich dann doch wieder die Kurve zur Politik gekriegt. Sie handeln von:

 

 

  • dem Sinn des Lebens,
  • dem Wesen des Menschen,
  • Dummheit, Arroganz, Gleichgültigkeit, Haß,
  • Gefühllosig- und Interessenlosigkeit,
  • sinnlosem Konsum,
  • Krieg und Aggression,
  • Erziehung und Indoktrination,
  • Appellen an die Humanität,
  • der Spaß- und Eventgesellschaft (Zitat: „This species has amused itself to death“)

Mein Anliegen ist es, daß Interessierte diese Musik einmal wieder hervorkramen oder sie sich zulegen. Die DVDs und CDs von Pink Floyd oder Roger Waters sind heute für ein paar Euro zu haben. Es lohnt sich allemal. Insbesondere sollte auch der Augenmerk auf die Inhalte gelegt werden, wobei ich aufgrund der Thematik  ein paar Songs herausgreifen möchte:

  • Aus dem Album „Amused to Death“: Perfect Sense, Part Ii; Amused To Death; The Bravery Of Being Out Of Range; It's A Miracle,
  • aus dem Album „Flickering Flame“:  Each Small Candle, und
  • aus dem Album “The Body”: To Kill The Child

Ich möchte an dieser Stelle nicht so weit gehen und die Liedtexte wiedergeben. Diese könnt Ihr Euch hier selbst bei Bedarf abholen.

Auch beabsichtige ich nicht, eine Diskussion anzuzetteln darüber, in wie weit Songs die Welt verändern können. Denn dann könnten wir gleich weitermachen mit der Frage nach dem Sinn von Wahlen, Demonstrationen oder dem Schreiben in Blogs und Foren. Meine Intention ist schlicht und einfach nur, am Beispiel dieses Musikers und seiner Werke, die Wucht und die Intensität zu erwähnen, die Musik und ihre Botschaft bei Liebhabern auslösen kann. Ich kann nur empfehlen, sich im Hier und Jetzt auf solche Darbietungen, sei es live oder auf DVD/CD, konzentriert einzulassen und die Wirkung auszukosten. Gerade in der letzten Zeit bin ich auf viele wunderbare Beispiele gestoßen, von deren Existenz ich bis vor kurzem noch nicht einmal wußte, die mein Leben bereichert haben.


Wer mich kennt, der weiß, daß ich sehr viel von Philosophen halte. Trotzdem ziehe ich manchmal die einfache, direkte und volkstümlichere Variante der Betrachtung und Ergründung des menschlichen Wesens vor. Dazu gehören auch die lyrischen Texte aus Gedichten oder aus Folk- und Rockmusik. Dabei kann ich manchmal gut und gerne auf all die bedeutungsvollen Philosophen sowie die Weltliteratur aus der Antike und Moderne verzichten. Dann kann mich kein Kant, Nietzsche, Fromm, Jaspers oder ein Papst erreichen. Selbst wenn es sich „nur“ um Texte aus der profanen Rockmusik handelt. In Verbindung mit der dazu gehörigen Melodie und dem Rhythmus können sie Effekte erzielen, die das Lesen eines trockenen Buches niemals toppen kann. Jedenfalls entspricht das meiner persönlichen Erfahrung.


Noch einige Worte zur politischen Orientierung von Roger Waters. Er ist Mitglied des Russel-Tribunals zu Palästina und verglich die israelische Regierung mit dem ehemaligen südafrikanischen Apartheid-Regime. Ein weiterer Vergleich, den mit dem Holocaust, brachte ihm ebenfalls einen heftigen Protest aus Israel ein. Auf seinen Konzerten verwendet er einen fliegenden Ballon in Form eines Schweines mit folgenden Symbolen: Kreuz, Mondsichel mit Stern (Hilal, ein Symbol des Islams), Hammer und Sichel, die Logos von Shell und Mac Donald’s, ein Dollarzeichen, einen Mercedesstern sowie den Davidsstern. Letzteres hat ihm Antisemitismusvorwürfe eingebracht. Die Absicht für die Verwendung dieser Symbole soll laut seiner Aussage „das Böse, insbesondere das Böse von willkürlicher Herrschaft“ brandmarken.

 


Bildquellen:


1. Roger Waters in concert, Morumbi Stadium, São Paulo, Brazi - Foto: Daigo Oliva, Quelle: Wikipedia, Wikimedia Commons  - diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.

2. The Roger Waters Band, with, Kilminster, White, Joyce, Pat Lennon, Mark Lennon, Kip Lennon, Wyckoff, Smith, Harry Waters, Carin, and Broad. The Wall Live concert tour by Roger Waters, formerly of Pink Floyd, at BankAtlantic Center, Sunrise, Miami, Florida, June 15th, 2012. The tour is the first time the Pink Floyd album The Wall has been performed in its entirety by the band or any of its former members since Waters performed the album live in Berlin 21 July 1990. Ref: en.wikipedia.org/wiki/The_Wall_Live_(concert_tour). Foto: Jimmy Baikovicius from Montevideo, Uruguay, Quelle: Wikipedia, Wikimedia Commons - diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.

 

MfG Peter A. Weber

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Rene Wolf
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Verbunden: 19.05.2012 - 09:03
Stein des Anstoßes: "Erziehung" in einem Song von Roger Waters


Stein des Anstoßes: "Erziehung" in einem Song von Roger Waters


Was Roger Waters mit seiner Erziehungskritik meint, zeigt sich im Video zu "Another Brick in the Wall":
Darin heißt es: "We don´t need no education".

 



Pink Floyd:  Another Brick in the Wall


Wir brauchen keine Erziehung
Wir brauchen keine Gedankenkontrolle
Keinen schwarzen Sarkasmus im Klassenzimmer
Lehrer, lasst diese Kinder in Ruhe,
Hey, Lehrer, lasst diese Kinder in Ruhe!
Insgesamt ist es nur ein weiterer Stein in der Mauer
Insgesamt bist du nur ein weiterer Stein in der Mauer

Erziehung wird als Gleichschaltung dargestellt. SchülerInnen, die im Gleichschritt marschieren. Gesichtslos, namenlos. Das ist keine Bildung. Was sich von selbst bildet, muss nicht herausgezogen werden. (Siehe auch Sprachherkunft von "Erziehung") Erziehung ist keine Bildung. Sie ist Faschismus.

Mit Erziehung ist ein Prozess gemeint, der ein Machtverhältnis zur Grundlage hat. Menschen, die sich als ebenbürtig- nicht: "gleich"- betrachten, erziehen einander nicht. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Gleichzeitig stellen sie ihre unauflösbare Fremdheit fest. Sie sind im Gespräch, in ebenbürtiger Beziehung zueinander.

Ivan Illich beschreibt eine solche Situation. Er besuchte ein arabisches Land und gab einem Bettler ein Geldstück. Dabei vermied er den Blickkontakt und entfernte sich diskret wieder. Sein Freund forderte ihn auf, zurück zu gehen und sich vor dem Bettler zu verbeugen. Illich tat es. Der Bettler segnete ihn mit einem Koranspruch.

Illich nennt diese Begegnung ein Fest der disharmonischen Ebenbürtigkeit. Das Geldstück und der Segensspruch sind unvergleichbar. Illich und der Bettler sind es ebenso. Sie konnten einander in die Augen sehen als Du und Du. Keiner hatte Macht über den anderen. Keiner "erzog" den anderen.

Wie ist das nun mit Eltern und Kindern? Gewiss, Eltern machen Kinder auf Gefahren aufmerksam. Bedeutet das aber, dass Kinder ihre Eltern auf nichts hinweisen? Dass wir von Kindern nichts lernen können, noch nicht einmal die Erinnerung an unser eigenes Kindsein, an unsere einstige Natürlichkeit und Unbekümmertheit? Erleben wir nicht die Welt neu und anders, wenn wir das Staunen des Kindes über einen Schmetterling teilen? Lernen wir nicht auch aus ihren Fragen?

"Papa, warum brennt die Sonne nicht aus?", fragte mich meine Tochter. Ich wusste es nicht. Hat mich nun meine Tochter zum Nachdenken über die Sonne "erzogen"?

Erziehung ist ein Prozess. Sie kann nicht an einem Einzelbeispiel festgemacht werden. Das Zurückreißen des Kindes vor einem sich nähernden Auto ist ein einzelner Hilfs- Akt. Er ist not- wendig. Dabei kann das Kind in diesem Fall noch nicht einmal als "gehorsam" bezeichnet werden. Gehorsam, auf den Erziehung ja schließlich abzielt, setzt die Lähmung des eigenen Willens voraus. Wenn mich jemand mit Gewalt zurückreißt (oder zieht), ist das keine Erziehung. Es sei denn, man betrachtet das menschliche Miteinander grundsätzlich als gegenseitige Erziehung. Dann kommt man jedoch nie wieder aus der Erziehung heraus. Liebende erziehen einander, Bäcker und Kunde tun es usw. Die Welt- eine Erziehungs- Anstalt?

Erziehung setzt voraus, dass es pädagogische Normen gibt. Erziehungsnormen. Standards sind das Ziel. Böse gesagt: Gleichschaltung von Individuen. Die Zensur im Unterricht gehört dazu- schon ihr Name lässt nichts Gutes ahnen. Man assoziiert damit Kontrolle, Überwachung, Beschneidung, Einengung. Fraglich ist auch, wie sinnvoll das tägliche Konzentrations- und Disziplinierungslager "Schule" überhaupt ist.

Warum müssen alle Gleichaltrigen das Gleiche lernen? Wer bestimmt, was normal ist? Wer hat die "diagnostische Macht"? Ist Kompetenz nur durch beschriebene Papierfetzen, Zeugnis oder Diplom genannt, erweisbar? In der Festlegung der Norm, des Standards und in der Sanktion der Abweichung davon besteht die größte Macht. Sie dient der Zementierung von Herrschaftsverhältnissen, der Gleichschaltung des Denkens. Das lässt bei vollem Bewusstsein niemand gern mit sich machen. Deshalb bedarf es der "Erziehung".

Auch dem sollten wir uns verweigern.

Abschließend lasse ich eine "Erziehungswissenschaftlerin" zu Wort kommen. Marianne Gronemeyer. Sie sagt, dass die Vereinheitlichung durch vorgegebene Lernstandards nicht zu Gerechtigkeit und schon gar nicht zu Chancengleichheit führt, dass aber diese Standards "uns um das Beste bringen, um den größten gesellschaftlichen Reichtum, nämlich die unendliche Verschiedenheit der Menschen und die unbegrenzte Fülle, die in dieser Verschiedenheit zu suchen und zu finden wäre". Da nämlich jedes Kind anders ist und andere Voraussetzungen in die Schule bringt, ist Chancengleichheit durch Standardisierung der Lernziele nicht zu erreichen.

 

Nu pogodi!

René L. Wolf

 

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