► ......von Prof. Dr. Christian Kreiß, Hochschule Aalen
I. Werbung und Fehlallokation von Ressourcen
Angenommen, Robinson Crusoe würde mit vier weiteren Leidensgenossen auf eine einsame Insel verschlagen. Er selbst übernehme das Angeln, ein anderer das Herstellen von Kleidung und Schuhen, der Dritte bestelle die Felder und der Vierte sorge für Hausbau und Haushalt. Der Fünfte übernähme die Aufgabe, für jeden der vier anderen bei den jeweils drei anderen Marketing und Werbung zu machen. Wie viel trägt der Fünfte zum Wohle aller bei?
Der bekannte Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz schildert ähnliche Prozesse für das Tierreich. Bei einer bestimmten Fasan-Art (vgl. Lorenz, S.46f.) ist es für einzelne Männchen rational, immer größere und längere Federn zu bekommen, weil sie dann leichter Weibchen finden. Dieser Selektionsprozess führt dazu, dass diejenigen Männchen mit den größten und längsten Federn die meisten Nachkommen erhalten. Über viele Generationen wird dadurch bewirkt, dass die Männchen kaum mehr fliegen können und dadurch viel leichter Raubtieren zum Opfer fallen, so dass diese Entwicklung zur Gefahr der Vernichtung der Fasan- Art führt. Derartige artschädigende Selektionsprozesse diagnostiziert Konrad Lorenz für eine ganze Reihe von Tierarten und kommt zu dem Schluss: „Die Evolution des Argusfasans hat sich nun einmal in eine Sackgasse verrannt, die darin besteht, dass die Männer in Bezug auf möglichst große Armschwingen miteinander konkurrieren, mit anderen Worten, die Tiere dieser Art werden niemals die vernünftige Lösung finden und „beschließen“, diesen Unsinn hinfort sein zu lassen.“ (Lorenz, S.47)
Das Phänomen „Werbung“ könnte einen solchen kollektiven „Unsinn“ darstellen, ein Immer- Größer-Werden von Tätigkeiten, die unser aller Leben unnötig verteuern und wo möglicherweise ein kollektiver Beschluss rational wäre, diese Tätigkeiten hinfort zu reduzieren. Diese Fragestellung ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: In Deutschland gibt es bestimmte Berufszweige, für die deutliche Werbeeinschränkungen gelten, z.B. Heilberufe wie Ärzte, Tierärzte, Therapeuten, für Rechtsanwälte, Steuerberater oder Architekten. (Lorenz, S.47) Was würde geschehen, wenn diese Werbeeinschränkungen aufgehoben oder gelockert würden? Für einzelne, zum Beispiel neu in den Markt eintretende Tierärzte, Rechtsanwälte oder Architekten wäre es individuell rational, zu werben. Sie würden mit Werbung beginnen. Einige der etablierten Konkurrenten müssten aus Sorge vor Marktanteilsverlusten nachziehen und so dürften die Werbeausgaben in diesen Branchen, gemessen am heutigen geringen Werbebudget, deutlich ansteigen.
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