► Wie man aus Daimler-Chef Zetsche einen Führer macht
von Ulrich Gellermann, RATIONALGALERIE
Was ist Journalismus? Wenn einer was schreibt und andere es lesen? Es war einmal, so beginnen alle traurigen Geschichten, es war einmal eine Vierte Gewalt. Die sollte neben der Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative die Vierte Macht in Form der Medien sein. Journalisten sollten kritisch distanziert die Gesellschaft beobachten und beschreiben, um so der Demokratie Beine zu machen. Doch wenn es diese Ideal-Kombination je gab, dann ist sie heute endlich an ihr Ende gekommen. Die Mehrheit der Menschen ist für die Medien, außer als dumme Konsumenten, völlig uninteressant. Geil wird der übliche Journalist nur noch, wenn er dem Promi in der Westentasche sitzt, wenn er in der Nähe der wirklichen Macht das Parfum des großen Geldes riecht und sich im Glanz der Gewaltigen einen schweren Hirnbrand holen kann. Als jüngstes übles Beispiel darf die Schleim-Story über den Daimler-Chef Dieter Zetsche [1] im Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gelten.
Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG.
Schon auf der Titelseite der SZ-Freitagsausgabe schrie die Schlagzeile "DR. Z.", so als habe Zorro sein Initial in den Schnee gepisst. Seherisch stierten die Augen des Dr. Z. aus der Frontseite. Ein Kopf, eingebettet in ein düsteres Schwarz, beherrschte die erste Seite einer Zeitung, die gern so tut als wäre sie Teil der Vierten Gewalt. "Man wird einsam da oben" [2] zitiert der untertänige Journalist dann auf seinen acht Seiten im Magazin den Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG. Und damit die Tränen des Mitleids nirgendwo gestoppt werden können, erwähnt der Schreiber sicherheitshalber nicht die über acht Millionen Jahresgehalt: Der Leser könnte ja aus seiner Bewunderungsstarre fallen und sich fragen, was er denn eigentlich mit dieser Sorte Mensch zu tun hat.
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