► von Dr. T. P. Wilkinson
Zahlreiche Gründe wurden angeführt für die plötzliche Zurückhaltung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Bomben auf Damaskus zu werfen und es zu einem neuen Tripoli oder Bagdad zu machen. Einer, der nicht viel Aufmerksamkeit erregt hat, waren die anstehenden Bundestagswahlen in Deutschland. Diese sind vorbei, Stabilität ist gewährleistet, die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika kann ihren Kurs fortsetzen, wenn auch nicht mit Vollgas.
Warum waren die deutschen Parlamentswahlen wichtig für Herrn Obama? Sicher haben die meisten Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika wenig bis gar keine Ahnung, wo Berlin liegt, und erst recht keine davon, wer dort die Regierung führt. Die Leute, die die Basis von Herrn Obamas Regierung wie auch die seines Vorgängers bilden, wissen sehr genau, wie wichtig Frau Merkel war für die Anwendung der Doppeltaktik des Finanzkapitals in Europa.
Um die Bedeutung Frau Merkels zu erfassen, muss man den Film auf 2002 zurückdrehen. Gerhard Schröder von der SPD war Kanzler und wurde von Frau Merkel herausgefordert, die die CDU/CSU anführte, auch Union genannt, da sie eine Wahlgemeinschaft der deutschen bundesweiten CDU und der bayerischen CSU ist. Als der damals regierende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika George W. Bush sich um die Unterstützung von Alliierten bemühte, folgte Herr Schröder – aus Opportunismus oder auch nicht – den Meinungsumfragen, welche zeigten, dass die Mehrheit der Deutschen gegen den Irak-Krieg waren. Er weigerte sich, deutsche Bundeswehrsoldaten für den Einmarsch zur Verfügung zu stellen (entsandte nur kleine geheime Einheiten ohne Aufhebens zu machen). In den Bundestagswahlen 2002 sah man im TV Frau Merkel bei ihrem Besuch bei Herrn George W. Bush in Washington, wo sie die Position der Regierung Schröder kritisierte und sich für die deutsche militärische Unterstützung der Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika aussprach. Es wird allgemein angenommen, dass dieser offene Verstoss gegen das parlamentarische Protokoll (in Britannien wie in Deutschland wird es als inakzeptabel betrachtet, die herrschende Regierung im Ausland öffentlich zu kritisieren) gemeinsam mit ihrer Befürwortung eines Krieges, für den keine deutsche Unterstützung zu finden war (ausser vielleicht seitens der Waffenindustrie) Frau Merkel den Wahlsieg kostete.
Als Herr Schröder aus der Politik ausstieg, um für Ölfirmen und Banken zu arbeiten, was nicht überraschte, nachdem sein Spitzname in Deutschland „der Genosse der Bosse“ war, blieb die SPD ohne einen Nachfolger, der entweder das Charisma oder ein Programm hatte. Die opportunistische Koalition zwischen SPD und Grünen wurde also zugunsten einer großen Koalition beendet, die letztlich von der CDU angeführt wurde, nach Schröders Rückkehr zu seiner Arbeit direkt für die „Bosse“.

Frau Merkel war eine Kreation der letzten Jahre des Helmut Kohl-Regimes. Sie wurde von ihm angenommen als eine Art arme Schwester aus der neu übernommenen DDR und ersetzte den nicht genügend untertänigen Vizekanzler Lothar de Maziere, ein Überbleibsel aus der kurzlebigen nach-Honecker-Regierung der DDR, der der Regierung angehörte, die die DDR der BRD überschrieb für eine absurde Währungsreform und einen Haufen Versprechungen. Von Kohl lernte Frau Merkel zwei Dinge schnell: wie man innerparteiliche Konkurrenten eliminiert und wie man die Medien manipuliert. Sie wird betrachtet als geschäftsmäßige, mütterliche (obwohl sie keine Kinder hat), post-DDR-Erfolgsstory (obwohl sie sich bis 1989 in der DDR ganz und gar konformistisch verhielt), beständig und unverfänglich (obwohl sie den Vorsitz führte über verstärktes militärisches Engagement im Ausland unter Verletzung des deutschen Rechts und bei der Bevorzugung deutscher Banken und Industrie bei der Ruinierung Griechenlands). Kurz gesagt, Angela Merkel ist umhüllt mit einer Art von politischem Teflon, das viel höher entwickelt ist als jenes, das in Ronald Reagans Tagen zur Verfügung stand.
Auch für dieses Phänomen gibt es eine Erklärung. Seit 1989 haben die deutschen Medien einen wesentlichen Wandel durchgemacht. Unter der Besatzung der Vereinigten Staaten von Amerika war die Bundesrepublik gut abgestimmt mit der Politik der Regierung in Washington und der NATO und die Medien reflektierten das. Den Bedingungen im konkurrierenden Deutschland östlich der Elbe musste allerdings noch immer entgegengewirkt werden. Eine davon war die offizielle und psychologisch sehr tiefe Aversion gegen Kriege und militärisches Vorgehen. Es ist belegt, dass Konrad Adenauer die Wiederaufrüstung Deutschlands auf Geheiss der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in den 1950ern nur mit parlamentarischen Tricks in Gang brachte – obwohl es eine massive Opposition dagegen von der Rechten bis zur Linken gab. Der Kampf gegen die Stationierung von Pershing II-Raketen in Deutschland wurde nicht nur von der Linken getragen. 1991 versuchte die SPD sogar, den Bundesgerichtshof gegen Herr Genschers Anzetteln des Krieges gegen Jugoslawien ins Spiel zu bringen, indem sie argumentierte, dass diese Aktionen gegen das deutsche Grundgesetz verstiessen, welches alle mit Ausnahme von defensiven militärischen Operationen verbietet.
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