Die „unsichtbare Macht“ des Marktes
von ANTÔNIO INÁCIO ANDRIOLI
„Diese Globalisierung, die auf gesellschaftsimmanenten Stimmungen aufbaut, ist gleichermassen das Produkt einer Politik, die diese Stimmungen verstärkt und sie ausnutzt, weil sie bestimmten Interessen entgegenkommen“. (Pierre Bourdieu [4])
Viel wird vom Markt und seiner Überlegenheit über die Gesellschaft gesprochen. Besonders mit der Verbreitung des Freihandels, die eine bis dann unvorstellbare weltweite finanzielle Spekulation ermöglichte, steigt der Glaube an eine sogenannte unsichtbare Macht des Marktes. Der Wohlfahrtsstaat und die Demokratie wurden weltweit als Hindernisse für die „wirtschaftliche Ordnung“ dargestellt. Regierungen sollen immer weniger Macht haben, besonders in den „Entwicklungsländern“, so dass die Kapitalanleger nicht fürchten, ihr Geld dort zu investieren. Übrigens wird das spekulative Geld, das zu 90% der Gelder zählt, die täglich um die Welt zirkulieren, als „Hilfe“ bezeichnet und als entscheidender Faktor der Entwicklung angenommen. Damit die Regierungen sich gut bewerben können, um Investitionen „anzuziehen“, sollen sie hohe Zinsen anbieten, damit die Länder „attraktiv“ werden könnten. Dazu gehört auch die Privatisierung von Unternehmen, die Senkung der Steuern, die Kreditrationierung und die Bekämpfung der Inflation als Voraussetzungen der „Attraktivität“ des Marktes. Aber wer entscheidet eigentlich über den Markt?
So wie in den 90er Jahren die Globalisierung als unvermeidlich angesehen wurde, so wird jetzt akzeptiert, dass keine Regierung auf die spekulativen Investitionen verzichten kann. Wenn eine Regierung darauf verzichten möchte, wird schon von Chaos geredet, weil die Kapitalanleger dann ihr Geld aus dem Land nehmen und in einem anderen Land investieren könnten. Die einzige Möglichkeit der Regierungen wäre, die besten Bedingungen für die Spekulanten anzubieten und erwarten, dass das Geld dann in ihrem Land angelegt wird. Durch diese Konzeption haben die Spekulanten schon mehr Macht als die nationalen Staaten und können sogar Wahlen beeinflussen, indem sie Kandidaten unterstützen, die ihnen besser passen.
In Brasilien zum Beispiel, hat George Soros, einer der größten Spekulanten der Welt, sich für Serra, den Kandidaten der aktuellen Regierung, ausgesprochen, als er sagte, dass ein wahrscheinlicher Erfolg der Opposition das Chaos bedeuten würde. „Entweder Serra oder Chaos“ sollte zeigen, dass die brasilianische Bevölkerung überhaupt keine andere Möglichkeit hätte als den „Interessen des Marktes“ zuzustimmen. Die Bedrohung ist so stark, dass Lula, der Kandidat der Opposition, sich gezwungen fühlt, sich immer mehr an den Markt anzupassen und keine Meinung zu äußern, die eine Investitionsflucht verursachen könnte.
Es ist schon zu bemerken, dass hinter der Konzeption der Überlegenheit des Marktes politische Interessen stecken, die klar gegen die Interessen der Nationen verstoßen. Aber warum tun die Regierungen so wenig dagegen? Haben sie eigentlich keine Macht vor dem zunehmenden spekulativen Markt? Man kann davon ausgehen, dass ohne politische Entscheidungen der spekulative Markt überhaupt nicht hätte entstehen können. Internationale Institutionen wurden begründet, Versammlungen von Regierungschefs wurden abgehalten und unzählige Regeln wurden aufgestellt, damit der Freihandel verbreitet wurde. Die Regierungen, die die Regeln und die Institutionen unterstützten, sind für die aktuelle Situation verantwortlich. Aber genau diese Regierungen versuchen, weil die sozialen Probleme schon so bemerkbar sind, den Markt für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich zu machen. Ohne dass Regeln existieren, wäre es nicht möglich zu handeln, weil alle Geschäfte von Regeln abhängig sind. Ohne Verbindlichkeit und Einhalten von Regeln, ist kein Kapitalanleger oder Verkäufer sich sicher, dass er bezahlt wird, was die Logik des Markts zerstören kann.
Weil es keinen Markt ohne Regeln gibt, sind die politischen Entscheidungen dafür verantwortlich, die wirtschaftliche Situation zu erhalten oder zu ändern. Aber die Politik wird von der Wirtschaft beeinflusst und normalerweise sind die Regierungschefs so unterwürfig, dass die Interessen des Kapitals einfach als Interessen des Staats angenommen und überhaupt nicht mehr durch die Regierungen begrenzt werden. Das heißt, es genügt nicht Regierungen zu haben oder zu stärken; es ist für die allgemeine Bevölkerung nötig, sich in der Zivilgesellschaft politisch zu organisieren, Regierungen zu wechseln und unter Druck zu setzen, wenn sie gegen die öffentlichen Interessen handeln.
Hinter der Macht des Markts stecken eigentlich die Interessen des Kapitals, das immer mehr versucht, die Politik der Länder zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Obwohl diese Macht auf ideologische Weise wie ein autonomes System dargestellt wird, ist sie nur so bedeutend weil es Regierungen gibt die den Interessen des Kapitals zustimmen und weil in den letzten 10 Jahren die sozialen Bewegungen sich sehr zurück gehalten haben. Aber es gibt schon Signale eines politischen Widerstands. Der Auftritt der weltweiten Globalisierungskritiker, den viele sich in den 90er Jahren gar nicht vorstellen konnten, ist ein Beweis dafür, dass die Menschheit sich nicht so einfach der Logik des Markts fügt, besonders weil diese Logik die soziale Ungleichheit vertieft hat und nicht der Interessen der Mehrheit entgegenkommt. Es wird wieder klar, dass Demokratie und Freiheit nicht ein Angebot des Marktes oder des Staates sind, sondern dass sie nur durch die organisierte Gesellschaft erreicht werden können. (Text: A.I.Andrioli)
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Informationen zu ANTÔNIO INÁCIO ANDRIOLI auf seiner Webseite, die aber von korrupten Lobbyisten für den europ. Raum gesperrt wurde!