Über den Umgang mit Provokationen
► von Egon W. Kreutzer, Elsendorf
Jede Handlung, jede Aussage, jede Geste, die dazu geeignet ist, die persönliche Integrität eines Menschen oder die Werte einer Gruppe zu diffamieren, ist provokativ. „Provokation“, zu übersetzen mit „herbeiführen, auslösen, in Gang setzen“, zielt darauf ab, eine Reaktion auszulösen, mit welcher entweder der „Inhalt“ der Provokation durch das Verhalten des Provozierten bestätigt wird, oder der Provozierte sich – ängstlich oder schamhaft – zurückzieht.
Zu den schönsten Formen der Provokation gehören die vier Worte: „Du traust dich nicht.“ Doch auch wenn die Provokation auf dem Schulhof wörtlich nur lautet: „Geh weg, du stinkst!“, schwingt dieses „Du traust dich nicht“ immer mit. Es ist der Kern der Provokation. Der Provozierte soll ausrasten, die Kontrolle verlieren, sich trauen – denn dann hat er angefangen und darf nach dem Ehrenkodex der Revolverhelden gemeinschaftlich verhauen werden.
Provokation geht – geistige Gesundheit vorausgesetzt – immer vom tatsächlich oder vermeintlich Starken aus und richtet sich immer gegen den tatsächlich oder vermeintlich Schwächeren. Daraus erschließt sich, dass schon die harmlos klingende, demokratiekonforme Behauptung, „Wir sind mehr!“, den Geist der Provokation transportiert. Denkt man diesen Gedanken weiter, erkennt man, dass die Provokation eingesetzt wird, um ein sowieso beabsichtigtes, allerdings unter normalen Umständen geächtetes zukünftiges Handeln, durch die provozierte Reaktion des Schwächeren zu rechtfertigen.