Ist das Grundgesetz so etwas wie rechtsphilosophischer Urknall?
Es handelt sich schließlich um ein abstraktes Neutrum.
► von Egon W. Kreutzer, Elsendorf (N.-Bay.)
Es gibt Floskeln, die hat man hundert- und tausendmal gehört, ohne sich daran zu stoßen, bis der Tag kommt, an dem man erkennt, das die Floskel leer und damit bestenfalls noch als heiße Luft angesehen werden kann.
„Fest auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen“, das ist so eine Floskel. Vor vierzig Jahren noch, nur um eine Hausnummer zu nennen, war vollständig klar, dass, wer fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, ein ehrbarer, das Recht schätzender Mensch ist, dem auch dann, wenn er sich als Politiker betätigt, ein gewisser Vertrauensvorschuss sicher sein kann.
„Fest auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen“, das war damals quasi ein Synonym für jene Art von Gesetzestreue, die alles daran setzt, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren, und dies alles im gesteckten Rahmen der Gesetze. Der „Boden des Grundgesetzes“ war als Metapher gedacht, mit der das unerschütterliche Fundament unserer Rechtsordnung gewürdigt werden sollte.
Es war einmal.
Heute drängt sich die Frage geradezu auf, ob das Grundgesetz überhaupt einen Boden hat.