► von Wolfgang Blaschka, München
Joachim Gauck ist gelernter Protestant. Erst wurde er Pfarrer, dann Endzeit-Bürgerrechtler, später bundesoberster Stasi-Aktenverwalter, und schließlich allerhöchster deutscher Präsident und Freiheits-Prediger. Er lässt sich mit dem Kennzeichen "0-1" kutschieren. Das sei das Ende der Fahnenstange, möchte man meinen. Mehr geht kaum in einem Menschenleben, denken sich Lieschen Müller und Mäxchen Klein. Doch lebenslanges Lernen nimmt kein Ende bis zur finalen Löffelabgabe. Gauck [1] müsste auf seine alten Tage noch einen draufsatteln und auf Protestler umschulen. Eine Rolle, die er sich nicht einmal selbst abnimmt. Darum lässt er es behutsam angehen und sagt einfach erstmal gar nichts. Er weigert sich nach Sotschi zu fahren, sagt aber nicht warum. Dabei hätte er sogar eine Ehrenkarte für die Olympischen Winterspiele auf der Krim und einen Freiflug dahin und wieder zurück. Den lässt er schnöde verfallen.
Der russische Präsident hätte ihm sogar eine eigene Protestmeile eingerichtet, wo er mit einem selbst gemalten Schild auf und ab marschieren hätte können. Aber Gauck bockt. Zu Putins Propagandashow will er nicht, erklären will er das aber auch nicht so direkt. Nicht dass ihm Wladimir Putin [2] noch böse wäre! Ein unerklärter Protest also, eine ganz neue Form des Aufbegehrens. Dabei würde ihm die devote Hofberichterstattung jedes auch nur beiläufig hingeworfene Wort zur Schlagzeile aufpumpen. Ein Blitzlichtgewitter würde jeden seiner Auftritte, und seien es nur Besuche im Trainingsquartier des Olympia-Teams, zu fulminanten Leuchtfeuern der "Freiheit" stilisieren, gegen Despotismus, Oligarchie, Schwulenfeindlichkeit und überhaupt. Ein prominenterer Demonstrant wäre kaum zu finden. Selbst die feministische Gruppe FEMEN [3] würden dagegen abstinken. Doch er möchte sie nicht in den Schatten stellen, gendermäßig korrekt. Und sich nicht ins Rampenlicht.
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