► von Susanna Böhme-Kuby
Dieser unscharfe Begriff flankiert die deutsche Geschichtsschreibung nach der »sogenannten Wiedervereinigung« (Heinrich Senfft) und bezeichnet vielfältige individuelle und auch kollektive Aneignungsversuche des Vergangenen.
Die »Erinnerung« war bisher überwiegend auf den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg zentriert, die durch die verantwortlichen Generationen keine adäquate »Aufarbeitung« erfahren hatten. Daher ließ und läßt sich – ungeachtet aller Weißmacher – nicht verhindern, daß ein immenser Blutfleck immer wieder durchscheint.

Die in der alten BRD diagnostizierte »Unfähigkeit zu trauern« (Alexander [1] und Margarete Mitscherlich [2]) war – laut Klaus Theweleit [3] – begleitet von erstaunlichen Fähigkeiten, beispielsweise »die Feste zu feiern, wie sie fallen, […] und den Aufbau der Fünfziger derart fröhlich anzupacken und unbeirrt ins befreite Gebiet des hemmungslosen Spießerglücks zu steuern«. Diese Fähigkeiten sind auch den nachgeborenen Generationen nicht abhanden gekommen, und die Formen heutiger Erinnerung – auch in der biographischen Literatur – dienen weniger einer verspäteten Trauerarbeit als individueller Selbstfindung und, im weiteren Sinne, kollektiver Neupositionierung der Deutschen.
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