► von Dr. Rolf Gössner
Die offizielle Erinnerungspolitik und Entschädigungspraxis der Bundesrepublik krankte jahrzehntelang an blinden Flecken. Jedenfalls gibt es in der Geschichte der Aufarbeitung des NS-Unrechts die Kategorie der »vergessenen« – oder besser: der »verdrängten NS-Opfer«. Dazu gehören etwa die Opfer der NS-Militärjustiz, Wehrmachtsdeserteure, kommunistische Widerstandskämpfer, Sinti und Roma, Homosexuelle, Euthanasie-Geschädigte und Zwangssterilisierte. Manche dieser blinden Flecken sind zwar, zumindest teilweise, überwunden. Jedoch noch immer nicht im Fall der über fünf Millionen ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen, die nach den europäischen Juden zur zweitgrößten NS-Opfergruppe zählen; über drei Millionen, also mehr als die Hälfte, kamen während des Zweiten Weltkriegs in deutscher Gefangenschaft auf grausame Weise ums Leben. Ihnen und den lebenslang traumatisierten Überlebenden werden bis heute Anerkennung und Entschädigung als NS-Opfer, als Opfer des nationalsozialistischen Rassenkrieges verweigert.
Daß ihr Schicksal hierzulande überhaupt thematisiert und in einer Ausstellung (»Russenlager« und Zwangsarbeit) veranschaulicht wird, ist in erster Linie dem Verein »Kontakte – Kontakty« (»Kontakte zu Ländern der ehemaligen Sowjet-union«) zu verdanken. Die Ausstellung mit Bildern und Erinnerungen sowjetischer Kriegsgefangener gastierte in Bremen (Haus der Wissenschaft), was schon deshalb bedeutsam ist, weil sich gerade auch in Bremen viele Spuren deportierter Rotarmisten aus der Zeit 1941 bis 1945 finden. Sie mußten Zwangsarbeit verrichten beim Bau von Luftschutzbunkern und des U-Boot-Bunkers Valentin, in Bremer Rüstungsbetrieben wie Focke-Wulf, AG Weser, Bremer Vulkan, aber auch in anderen Firmen wie Borgward oder der Brauerei Beck & Co.
Für seinen außerordentlichen Einsatz zugunsten ehemaliger Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener aus Ländern der früheren Sowjetunion, für die Gesten der Versöhnung und für die damit verbundene Völkerverständigung hat die "Internationale Liga für Menschenrechte" [1] den Mitgründer des Vereins Kontakte, Eberhard Radczuweit, bereits im Jahr 2002 mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet. Seitdem haben Radczuweit und der Verein diesen beschwerlichen Weg weiter auf sich genommen, um Versöhnung, Anerkennung und Wiedergutmachung zivilgesellschaftlich zu organisieren und zu gestalten.
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