► von Ingrid Zwerenz
Sicher nicht aus freiem Willen, doch unterm Zwang der Zitate betitelte Jürgen Kaube [1], jüngst mehrmals preisgekrönter Journalist, am 3. März 2015 seinen FAZ-Artikel mit diesem als Frage formulierten Heidegger-Satz aus den berüchtigten »Schwarzen Heften«. »Die Alliierten – schlimmer als Hitler?« Jahrelang sperrte man sich im Weltblatt aus Frankfurt dagegen, den geheiligten Philosophen MH so darzustellen wie es sich durch seine zahlreichen antidemokratischen und judenfeindlichen Äußerungen geradezu aufdrängte.
1945 eskalierte der vielbewunderte Rauner in den schieren Wahn- und Blödsinn. »Für Heidegger« führt Kaube an, »zählen letztlich nur Gedanken und vor allem die eigenen. Sie darauf zu prüfen, wie viele Irrtümer und Phrasen sie enthalten, hindert ihn die komplette Unfähigkeit zur Reflexion, die ihm einst sein Schüler Hans-Georg Gadamer attestiert hat.« Nach Kriegsende sieht Martin Heidegger [2] eine »Tötungsmaschinerie« an den Deutschen angesetzt und »findet es ungehörig, Goebbels [3] an den Pranger zu stellen.«
Wo sollte denn Hitlers getreuer Propaganda-Minister sonst positioniert werden – auf einem Piedestal (Sockel)?
Da waren zwei Figuren aus dem Dritten Reich, hier ausdrücklich herausgehoben, obwohl es die Mehrheit der Machthaber umfasst, wahrlich nicht mehr ganz bei Groschen, soweit es den früheren Gauleiter von Berlin und später wegen seiner Sexgier als Bock von Babelsberg Verhöhnten betrifft, bestätigt eine Erinnerung aus meiner Kindheit die Unzurechnungsfähigkeit von Goebbels. Er lieferte im Winter 45 in Liegnitz [4], Niederschlesien, wo ich geboren bin, noch eine seiner Hetz- und Durchhalte-Reden.
Danach ließ er die Stadt zupflastern mit Plakaten, auf denen zu lesen stand »Den Sowjets geht der Atem aus« - wir konnten die Rotarmisten schon Luft holen hören – so dicht stand der Einmarsch bevor, aber der Propagandhi wie Tucholsky [6] den großfressigen Joseph G. hin und wieder nannte, log am Ende seiner Karriere so schamlos weiter wie er sie gestartet hatte. Die seiner Definition nach an Luftmangel leidende sowjetische Armee rückte indessen recht flott am 11. Februar 1945 von der Siegeshöhe her in meiner Heimatstadt ein. Siegeshöhe ist in dieser Situation die Höhe und die Absurdität des Straßennamens - das freute uns sehr. Bloß keine deutschen Siege mehr! Die ersten Russen, auf Rufnähe herangekommen, triumphierten: Woina kaput! – Krieg ist aus!
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