► von Victor Grossman via Zweiwochenschrift Ossietzky
»Sie haben vor 18 Jahren eine Strafe abgesessen, richtig?« – »Ja, Sir! Ich hatte etwas im Supermarket geklaut und dafür auch gebüßt.« – »Wählen dürfen Sie aber nie mehr. Sie sind hier in Florida! Der Nächste!«
»Zeigen Sie mir Ihr Identifizierungsfoto!« – »Ich habe aber keins. Ich fahre ja nicht Auto.« – »Sie hätten sich irgendeins holen müssen. Tut mir leid! Das hier ist Texas! Sie dürfen nicht wählen! Die Nächste!«
»Ihr Hauptwohnort ist nicht in diesem Wahlbezirk, nicht wahr?« – »Nein, Sir. Ich bin Studentin, wohne im Internat und konnte nicht extra nach Hause fliegen!« – »Ihr Pech! Das hier ist Ohio! Also der Nächste!«
»Aber ich heiße …« – »Sie heißen Richard Jones? Dann sind Sie in Georgia registriert, nicht hier in Alabama. Sie haben wohl vor, zweimal zu wählen, wie?« – »… richtig Richard William Jones jun. Der in Georgia heißt bestimmt nicht so.« – »Das müssen wir mal untersuchen. Aber heute dürfen Sie nicht wählen. Vielleicht in zwei Jahren.«
Zu diesen Schikanen bei Wahlen in den USA gesellen sich weitere, unter anderem fehleranfällige Wahlgeräte: US-Amerikaner kritzeln keine Kreuzchen, sie stimmen modern, aber verfälschbar per Bildschirm. Dazu kommt die Tatsache, daß 1845 der erste Dienstag nach dem ersten Montag in November als Wahltag festgelegt wurde: Anfang November waren die Felder abgeerntet, Schneestürme drohten noch nicht, und Politik durfte weder samstags noch montags den womöglich entfernten Kirchengang stören. Doch in den meisten Staaten ist der Wahltag kein freier Tag. Obwohl hier und dort erweiterte Wahlzeiten bestehen, ständig angefochten, muß die Mehrzahl vor oder nach der Arbeit wählen. Das ist besonders schwierig, wenn Republikaner [1] dort, wo viele Schwarze, Latinos und Studenten wählen, Wahllokale und Wahlmaschinen zu knapp bemessen.
Der Senat ist ohnehin undemokratisch zusammengesetzt; 580.000 Bürger aus Wyoming wählen zwei Senatoren genauso wie 38 Millionen aus Kalifornien. Fürs Repräsentantenhaus [2] haben die Staaten je nach Bevölkerungszahl eine Zahl an Wahlbezirken, die alle zehn Jahre neu zugeschnitten werden. Die meisten, in denen derzeit Republikaner am stärksten sind, wurden so geschickt zugeschnitten, daß ländliche, weiße, konservative Gegenden möglichst viele Abgeordnete wählen; die entstandenen Bezirke weisen »interessante« Formen auf. 1812 schuf der Gouverneur Elbridge Gerry [3] in Massachusetts einen Wahlbezirk, der auf der Karte wie ein Salamander aussah; seitdem heißt die Methode »Gerrymandering [4]«.
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