► von Ulrich Gellermann / RATIONALGALERIE
Außer zu bierseligen Fußballmeisterschaften und den Badetücher-Schlachten tapferer Deutscher gegen Engländer auf Mallorca hatte sich die deutsche Nation eigentlich abgemeldet. Sie war bis 1990 auf zwei Territorien aufgeteilt und das bekam ihr nicht schlecht: Das deutsche Wesen wusste halbwegs um seine historische Schuld an der Vernichtung verschiedener Völker und einer Religionsgemeinschaft und hielt in der Genesungsfrage zumeist den Mund. Das bekam seinen Nachbarn gut, aber auch den Deutschen selbst. Brav ordneten sie sich der jeweiligen Großmacht – in deren Einflussbereich sie lebten – unter und waren jedenfalls keine Gefahr mehr. Das sollte sich mit der "Deutschen Einheit" ändern.
Als ob es tatsächlich und plötzlich eine Deutsche Einheit gegeben hätte. Es gab von Beginn an ein Oben und ein Unten, ein Arm und ein Reich, die Habe-alles und die Habe-nichtse. Und doch existierte eine Art Klammer um die völlig gegensätzlichen Gruppen im selben Land: Die Nation. Was dem Einzelnen als gewollt erscheint, ist ein historisches Zufallsprodukt. Die Saarländer könnten auch Franzosen geworden sein, die Schleswig-Holsteiner Dänen, und die Slawen siedelten bis zum 13. Jahrhundert auf etwa einem Drittel des heutigen Deutschland. Erst Mitte des achtzehnten Jahrhunderts starb im Wendland [1] eine slawische Sprache aus: Das Drawänopolabische [2].
Aber diese nationale Zufälligkeit, von gemeinsamer Sprache, Geschichte und einem gemeinsamen Gebiet existiert. Die Nation ist zu einem eigenen Wert geworden, zu einer gesellschaftlichen Kategorie und verlangt deshalb Beachtung.
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