Anlässlich des Erscheinens der Publikation "Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter [2]" der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILMR [3]) hat der Humanistische Pressedienst mit dem Herausgeber und Vize-Präsidenten der Liga, Dr. Rolf Gössner, ein Interview geführt.
hpd: Gerhart Baum [4], der frühere Bundesinnenminister (FDP), erwähnte in seiner Laudatio auf Edward Snowden, dass die Große Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung das Versprechen festgehalten hat, "sich für ein Völkerrecht des Netzes einzusetzen". Können Sie uns sagen, was damit gemeint ist und wie weit dieses Vorhaben gediehen ist?
Rolf Gössner: Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD (2013) ist die durchaus richtige Erkenntnis zu lesen, dass das Recht auf Privatsphäre, wie es im Internationalen UN-Pakt für bürgerliche und politische Rechte garantiert ist, "an die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters angepasst" werden müsse. Damit die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger auch in der digitalen Welt gelten und zur Förderung der demokratischen Teilhabe der Bevölkerung am weltweiten Kommunikationsnetz will sich die Große Koalition für ein "Völkerrecht des Netzes" einsetzen – so zumindest die Absichtserklärung. Was daraus in den vergangenen zwei Jahren geworden ist?
Leider gibt es dazu nicht viel zu sagen. Ich kenne jedenfalls außer einer Mitte 2014 vorgelegten "Digitalen Agenda 2014–2017" [siehe im Anhang], in der das Vorhaben wiederholt wird, keine nennenswerten konkreten Schritte der Regierung in diese Richtung. Im Gegenteil, muss man inzwischen sagen: eher konkrete Rückschritte. Aktuelles Beispiel: die erneute Legalisierung der Vorratsdatenspeicherung, also der zwangsweisen und anlasslosen Speicherung von Telekommunikations(verbindungs)daten aller Nutzer auf bestimmte Zeit und auf Vorrat für den Fall, dass sie für die Verfolgung schwerer Straftaten gebraucht werden könnten.
hpd: Was wäre denn von der Bundesregierung an konkreten positiven Schritten zu erwarten gewesen?
Rolf Gössner: Zunächst mal das Naheliegendste: Dass sie zumindest ihren eigenen verfassungsrechtlichen Kernaufgaben nachkommt und die Bevölkerung sowie von Wirtschaftsspionage betroffene Betriebe vor den feindlichen Massenausforschungsattacken "befreundeter" Dienste, also von NSA [5] & Co., schützt.
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