► von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.
Es gibt Flüchtlinge, die echt Geld kosten, die uns wirklich teuer zu stehen kommen – Steuerflüchtlinge. Diese Trecks haben Milliarden im Gepäck, Geld, das sie uns an Steuern schulden und das sie über die Grenzen bringen. Die Fluchtrouten führen nach Luxemburg, Niederlande, Liechtenstein, die Schweiz, die britischen Kanalinseln und andere Steueroasen in Europa und Übersee.
Der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta bedauert: „Leider gibt es in der Europäischen Union zu viele Möglichkeiten, seine Steuern ganz offen zu minimieren. Diese erlauben einigen multinationalen Unternehmen, eine aggressive Strategie zur Steuervermeidung zu betreiben“. Und Semeta zieht Bilanz: „Etwa eine Billion Euro geht der EU Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren“ (zit. nach FAZ, 6.12.12). Den anteiligen Steuerausfall für Deutschland beziffert der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans [1] auf 160 Milliarden Euro (Spiegel, 18.5.13). 160 Milliarden – fast ein Viertel (24%) des Steueraufkommens von 2015.
Die beliebteste und bekannteste Steuer-Fluchtroute der vergangenen Jahre war Lux Leaks [2]. Hier war es mit den sogenannten Tax Rulings [3] zu regelrechten Steuerabsprachen mit ausländischen Konzernen gekommen, wodurch diese in den Genuss von sehr niedrigen Steuersätzen gelangt sind. Nach Sven Giegold [4], Europaabgeordneter der Grünen, habe der „Lux-Leaks-Skandal gezeigt, dass mehr als 350 Großkonzerne Sonderkonditionen zur Zahlung ihrer Steuern in Luxemburg bekommen haben“.
Das Pikante daran ist, dass die luxemburger Steuerprivilegien in einer Zeit gewährt wurden, als der heutige EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker [5], dort Finanzminister und später Ministerpräsident war. Er habe keine Kenntnis von den Steuerpraktiken im Großherzogtum gehabt und erst recht keinen Einfluss genommen, erklärte er treuherzig gegenüber dem Sonderausschuss „Taxe“ des EU-Parlaments: „Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung zu Lasten anderer europäischer Staaten erfunden“ (zit. nach SZ, 18.9.15). Und abschließend: „Lux-Leaks ist ein Unwort“. Man solle besser von „EU-Leaks“ sprechen, denn wer das Problem auf Luxemburg reduziere, mache es sich zu einfach. Es sei ein europäisches Problem.
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