Eine Stellungnahme von PRO ASYL zum Gesetzentwurf
Der Gesetzentwurf hat zum Ziel, die Anlage II des Asylgesetzes [2] so zu verändern, dass künftig Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden. Die Stellungnahme leitet her, dass das Konzept der »sicheren Herkunftsstaaten« dem individuellen Recht auf Asyl widerspricht und dass eine Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zu rechtfertigen ist.
Inhalt
1. Die geplante Rechtsänderung . . . . . . 1
2. Grundsätzliches zu „Sicheren Herkunftsländern“ . . . . . . 2
3. Gesetzgebungszweck . . . . . . 3
4. Missachtung verfassungsrechtlicher Maßstäbe . . . . . . 3
5. Zur Menschenrechtslage in der Monarchie Marokko . . . . . . 4
6. Zur Menschenrechtslage in Algerien . . . . . . 7
7. Zur Menschenrechtslage in Tunesien . . . . . . 9
Fazit: Konzept sichere Herkunftsstaaten widerspricht individuellem Recht auf Asyl . . . . . . 10
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► 1. Die geplante Rechtsänderung
Der Gesetzentwurf hat zum Ziel, die Anlage II des Asylgesetzes so zu verändern, dass künftig Algerien, Marokko und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft werden. Für diese Rechtsänderung bedarf es der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates.
Seit der Grundgesetzänderung von 1993 ist eine derartige Einstufung von Herkunftsländern von Flüchtlingen als „sicher“ in Art. 16a Abs. 3 GG [3] vorgesehen:
„Art 16a (3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.“
Bei der Einreise aus so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ soll bereits die Vermutung ausreichen, dass ein Ausländer aus einem entsprechenden Herkunftsland nicht der politischen Verfolgung unterliegt, um den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die Widerlegung einer solchen Vermutung ist durch verfahrensverschärfende Festlegungen enorm erschwert oder gar unmöglich gemacht.
Der Asylantrag eines Asylsuchenden aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ wird gem. § 29a AsylG [4] als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsmittelfristen auf eine Woche verkürzt sind. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Es muss innerhalb einer Woche Eilrechtsschutz beantragt werden(§ 36 Abs. 3 AsylG [5]). Auch für den Eilrechtsschutz sind die Hürden höher als üblich: Das Verwaltungsgericht darf die Aussetzung der Abschiebung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestehen (§ 36 Abs. 4 AsylG [5]).
Weitere Folge der Ablehnung als offensichtlich unbegründet: Nach § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG [6] darf an die abgelehnten Asylsuchenden keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Eine weitere Folge ist zudem, dass das Flughafenverfahren angewandt wird, § 18a AsylG [7]. Dabei handelt es sich um ein Schnellverfahren, das unter Haftbedingungen im Transitbereich des Flughafens durchgeführt wird.
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