► von Ron Augustin
"In jeder Epoche muss versucht werden, die Überlieferung von neuem dem Konformismus abzugewinnen, der im Begriff steht, sie zu überwältigen." – Walter BenjaminDie Geschichte der RAF umfasst einen Zeitraum von 30 Jahren. Es gibt zahllose Blickwinkel, unter denen die RAF und dieser Zeitraum dargestellt werden können, und grundsätzlich würde ich deren Legitimität auch nicht infragestellen (solange sie nicht bewusst als Waffe im Kampf um die Interpretationshoheit konzipiert sind), aber ich denke dass jeder von ihnen letztlich auf nur einen von zwei Ausgangspunkten zurückzuführen ist.
Dem einen entspricht eine distanzierte, gewöhnlich faszinierte Vorgehensweise, aus der Ergebenheit und Identifikation mit den bestehenden Verhältnissen. Sie soll so oder so einen bestimmten Konformismus legitimieren und zeichnet sich durch Sensationsgier, Voyeurismus, Sex & Crime und Oberflächlichkeit aus, losgelöst vom realen und politischen Zusammenhang.
Der andere Ausgangspunkt, der wie auch immer um Tiefe und Authentizität bemüht ist, kommt aus einem Engagement, d.h. aus dem Interesse, etwas zu lernen – das nicht immer einen direkt praktischen Bezug haben muss, das aber trotzdem aus einem mehr oder weniger konkreten Interesse an sozialer Veränderung entsteht, in dem Maß in dem nicht schon von vornherein eigene Positionen gegen vermeintlich andere verteidigt werden sollen. Also eher aus einer Perspektive von Widerstand – auch wenn das eine eigene und total andere Entwicklung ist als die unsere.
In der offiziellen Geschichtsschreibung und im Mainstream-Journalismus überherrscht natürlich der erste Ausgangspunkt. Ein Problem zu unserer Geschichte ist, dass auch Argumentationen aus der zweiten Perspektive oft Unterstellungen benutzen, die vom Mainstream übernommen worden sind. Dieser hat in Zeiten politischer und intellektueller Regression sozusagen die Interpretationshoheit, solange sie nicht grundsätzlich infragegestellt wird.
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