Schlaglicht auf eine historische Tendenz
Ein demokratisches Europa miteinander föderal verbundener Regionen, in dem die Menschen selbstbestimmt in kooperativer Gemeinschaft und Wohlstand miteinander leben können, ist eine wunderbare Vision. Was hat der Austritt der Briten aus der „Europäischen Union“ mit einer solchen Vision zu tun? Fördert er sie, schädigt er sie oder zerstört er sie gar?
Spekulieren über die nächsten konkreten Folgen des britischen Referendums macht wenig Sinn. Sehr viel mehr Sinn macht es, sich Gedanken darüber zu machen, in welchem historischen Strom die britische Abstimmung steht. Das soll hier in wenigen ersten Stichworten geschehen. Sie können zugleich ein Licht darauf werfen, in wessen Interesse diese Entwicklung stattfinden könnte.
► Zwischen Multipolarität …
Da ist zunächst die Multipolarität: Mit dem Ende der Sowjetunion Mitte der achtziger, Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts fand das Stichwort ‚multipolar‘ zugleich mit dem der Globalisierung seinen Eingang in die strategischen Optionen der neu entstehenden Weltordnung.

Es war Michail Gorbatschow [2], der es aus der Selbstbegründung des chinesischen Aufbruchs Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in die Debatte darum brachte, wie er sich die neue Ordnung vorstellen könnte – ein Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok [3] im Rahmen einer neuen Gruppierung der Weltmächte.
Unter Boris Jelzin [4] versank die Vision des Multipolaren vorübergehend in der uneingeschränkten westlichen Dominanz über Russland, vor allem jener der USA. Unter neuen Zielsetzungen tauchte sie erst unter Wladimir Putin wieder auf, fand in den Verbindungen der BRIC-Staaten (heute BRICS [5]), der "Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit" (SOZ [6]), in Russlands Forderungen nach Reformen der Vereinten Nationen, um die herum sich die verschiedenen globalen Newcomer scharten, ihre Aktualisierung. Russland wurde zu ihrem Impulsgeber.
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