AKP-Organisation in Deutschland ist der lange Arm
► von Ulrich Gellermann, Berlin
Mit hochgeföhnter Servilität saß der Chefredakteur des bayerischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb [1], dem Chef der türkischen Diktatur, Recep Tayyip Erdoğan, gegenüber. Sorgen mache er sich, sagte der Interview-Beauftragte der ARD im Ersten TV-Programm zu ganz ordentlicher Sendezeit, Sorgen wegen der gefährlichen Lage im Land. Gemeint waren nicht die Medienverbote und Verhaftungen in der Türkei schon vor dem versuchten Militärputsch, die Bedrohung der Justiz, die Repression gegen Rechtsanwälte und Strafverteidiger, lange vor dem missglückten Staatsstreich, und auch nicht die befohlene Brutalität der Polizei gegen die Bevölkerung auf dem Taksim-Platz und anderswo. Natürlich galten die Gottlieb-Sorgen auch nicht den vom Erdoğan-Militär ermordeten Kurden, sondern dem armen Erdoğan selbst: „Es gab Luftangriffe, es war eine gefährliche Situation, war es die kritischste Situation Ihrer Amtszeit?“

Ganz sicher war das Interview keine kritische Situation für den türkischen Präsidenten. Es war, nach Maßstäben eines anständigen Journalismus, unnütz und liebedienerisch. Und völlig auf der Linie einer deutschen Regierung, die gerade versucht, den türkischen Ausnahmezustand in einen harmlosen Notstand umzudeuten. In dieser für Frau Merkel kritischen Situation, in der immer mehr deutsche Wähler die Frage stellen, ob das Land in Berlin oder in Ankara regiert wird, musste ein Entlastungs-Interview her, in dem der arme Diktator seine schwierige Lage darstellen durfte: „Zerstören sie damit nicht ein Stück Bildung?“ fragte der bayerische Schleppenträger der Diktatur besorgt, mit Blick auf die vielen, über Nacht in der Türkei entlassenen Lehrer. Da könne er ganz beruhigt sein, teilte ihm Erdoğan mit, er stelle gerade an die 30.000 neue ein. Aufatmend lehnte sich der Stichwortgeber zurück. Ja, im Präsidentenpalast werden die Probleme gelöst, liest man auf seinem Gesicht. Dass die türkische Demokratie in Stücke geschlagen wird, ist ja nicht sein Thema.
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