26. April 1986 - die #Atomkatastrophe von #Tschernobyl

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30 Jahre Vertuschen, Verschleiern, Verharmlosen


von Ron Augustin, Berlin


Schlicht dvadsat schest, den Sechsundzwanzigsten, nennen die Leute im Dreieck Kiew-Moskau-Minsk die Katastrophe, die am 26. April 1986 mit einer Kette von Explosionen im Kernkraftwerk von Tschernobyl begann. Der Versuch, einen der vier Reaktoren für eine Testreihe unter Wartungsbedingungen herunterzufahren, war außer Kontrolle geraten und hatte zur Explosion des Reaktorkerns geführt. Dabei wurden der 1200 Tonnen schwere Deckel und das Dach des Reaktors in die Luft geschleudert, Wolken aus radioaktiven Gasen und Teilchen kilometerhoch in die Atmosphäre getrieben, und etwa ein Viertel des zerstörten Kernbrennstoffs in die Umgebung verstreut.
 

 

Die Graphitstäbe im Kern fingen sofort Feuer. Durch die große Hitze der zwei Wochen andauernden Brände gelangten hoch radioaktive Stoffe wie Iod und Cäsium in Lufthöhen von bis zu neun Kilometern. Da der Wind sich in diesem Zeitraum mehrmals drehte, verbreiteten sich die radioaktiven Wolken in den ersten drei Tagen Richtung Skandinavien, dann zwei Tage ostwärts über Moskau, bevor sie sich nach Süden und Westen über Mittelmeer und Nordsee zerstreuten. Wind und Regen sorgten dafür, dass große Teile Europas unterschiedlich stark kontaminiert wurden.

Obwohl den sowjetischen Behörden immer wieder vorgeworfen wird, dass sie erst nach drei Tagen mit den ersten Informationen rausrückten, wurden Politik und Medien im Westen von einem Gewirr aus blindem Alarm, Beschwichtigung, Desinformation und Kompetenzstreit beherrscht. Nachdem schon in den ersten Tagen in Bayern und Baden-Württemberg wesentlich erhöhte Strahlendosen gemessen worden waren, ließ die Bundesregierung ihren stellvertretenden Sprecher Norbert Schäfer verlautbaren, „dass eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland nicht besteht und auch nicht eintreten wird.“ In der ersten Bundestagssitzung zu dem Unfall, am 14.5.1986, wandte Kanzler Kohl sich „entschieden gegen das Schüren von Katastrophenstimmung“.

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