Behaviorismus und strukturelle Gewalt

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Anmerkungen zu den sozialen Wurzeln von Behaviorismus und Konditionierung


von Franz Witsch, Hamburg



1. Das Fremde dem eigenen Leben assimilieren

2. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie

3. Verbrecherische Strukturen

4. Behaviorismus und Konditionierung (Klaus-Jürgen Bruder)

 

 

Wer Rosa Luxemburg orientierungslos nennt, kann was erleben;

der gehört dann nicht mehr zu uns.

So ticken die meisten Linken immer noch.

Sie brauchen etwas, das sie anbeten können, um andere zu überzeugen.

Sich selbst finden sie dafür nicht gut genug.

 


 

1. Das Fremde dem eigenen Leben assimilieren

Nichts ist so langweilig wie Wahlen und Politiker; noch langweiliger, über Politiker zu reden, mit ihnen sinnvoll etwas zu verbinden. Es ist sinnlos, von ihnen etwas zu erwarten, z.B. sie mögen keine Kriege führen oder unterstützen, keinen Sozialabbau betreiben. Schlimmer: es kostet mittlerweile Überwindung, sich in Rede und Schrift über Politik zu äußern und das aus einem generellen Grund: Angesprochene interessieren sich immer mehr nur noch für sich selbst; vom herrschenden gesellschaftlichen Kontext versaut, neigen sie immer mehr dazu, reiz-reaktions-schematisch das in eine Äußerung oder einen Text zu interpretieren, was ihnen gerade durch den Kopf geht; impulsiv; aus dem Instinkt heraus stehen Urteile fest – signalgesteuert. Das allein wäre nicht schlimm; denn mit dem Gespür – einem Gefühl – fängt immer alles an: „hier stimmt was nicht, mir geht’s schlecht; hier muss was geschehen. Doch was und wie? Fragen über Fragen.“(DPB,13)

Doch wieso fragen, wenn das impulsgetriebene Urteil unverrückbar feststeht? Bürger sind in der Tat immer weniger in der Lage, innezuhalten, um Äußerungen oder Texte gründlicher zu analysieren, Leerstellen freizulegen, das Ungesagte, vielleicht Unsagbares, mithin versteckte Botschaften herauszuarbeiten, Absatz für Absatz, Satz für Satz, Wort für Wort. Geht nicht. In einer Zeit, in der Empfindlichkeiten um sich greifen, ist der Bürger immer mehr auf signalgesteuert hervorgebrachte Instinkt-Äußerungen reduziert. Dann bedeuten Texte das, was sie bedeuten; das Ungesagte, Unsichtbare, Ausgegrenzte, Unvorhersehbare, das Fremde und damit das unverwechselbare Subjekt sind dann ohne Chance. Interessiert nicht. Hinweg damit.

Man kann es auch so sagen: der Bürger konditioniert und wird konditioniert; dabei bleibt immer weniger Spielraum für kritische Interpretationen von Reden, Texten, Forderungen. Mindestlohn und bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sind Forderungen, die Sozialabbau und Verarmung zurückfahren. Das steht fest, auf den ersten Blick; wer das infrage stellt, ist asozial. Keine Diskussion, und wenn doch, dann nur mit vorhersehbarem Ausgang: der andere ist asozial, ohne geduldige Analyse; es geht immer mehr um (eigene) Gefühle, die festgefügt in Interessen projiziert werden, alternativlos auf sie verweisen; es gilt, das Gefühl kurzschlüssig mit dem gegenstandsbezogenen Interesse zu verbinden, unverrückbar, als seien Gefühl (Innen) und Gegenstand (Außen), Vorstellung und Realität identisch, als würde man einem verhandelbaren und zu verhandelnden Gegenstand unmittelbar ansehen, welche Gefühle er auslöst, von welchen Gefühlen er kontaminiert ist (DP4,26f,64,231), nur um Stellungnahmen, Forderungen (Mindestlohn, BGE etc.) möglichst unverhandelbar in die Welt zu setzen, eben weil Gefühle heilig sind, als repräsentierten sie schon für sich genommen ein alternatives sozial-ökonomisches Projekt.

Dieser trübe soziale Sachverhalt wird in durchaus sozial engagierten Texten gegen die Verlogenheit der Politik – sei es gegen Ausgrenzung, Verelendung, Krieg – transportiert; wiederum verlogen; auch Linke sind unansprechbar, unerreichbar, wenn es um Forderungen im Kontext des Bestehenden geht. Sie bestehen unverhandelbar darauf, dass der Mindestlohn im bestehenden kapitalistischen System Ausgrenzung und Verelendung zurückführt. Unansprechbar kann man mit solchen Leuten nichts anfangen – mit Linken wie Gysi, Lafontaine oder Wagenknecht, die dem Augenschein nach für Ausgegrenzte Politik gestalten wollen und sich tatsächlich „ehrlich“ dabei vorkommen, so wie Erwachsene ganz „ehrlich“ lieben, wenn sie eigene Kinder sexuell missbrauchen.

 

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