Diverse „Regime der Wahrheiten“ zerstören die Gesellschaft
► von Ralf Rosmiarek | RUBIKON
Unter dem Vorwand der Wissenschaftlichkeit wird derzeit eine Glaubensdiktatur errichtet, deren holzschnittartiges Denken an archaische Konzepte erinnert. Die Schrecken klerikaler Epochen sind nicht überwunden. Die eingeforderte Glaubenstreue, die Verketzerung der Abweichler und die Disziplinierung der Linientreuen mittels Heilsversprechen und Bußübungen — all das sind Methoden religiösen Machterhalts.
Im säkularisierten Heute haben diese Herrschaftsmittel nur das Gewand gewechselt. Sie tarnen sich mit rational und wissenschaftlich anmutenden Begriffen. Die neuen Priester sind die „Experten“, die nie in die Verlegenheit kommen, erklären zu müssen, was genau sie zu solchen macht. Die Menschen werden auf diese Weise dazu erzogen, den nie zu hinterfragenden Maßnahmen lammfromm Folge zu leisten.
Wäre es nicht anmaßend, zu glauben, man wüsste es besser als die Vielzahl der „Experten“? Eine Wissenschaft allerdings, die sich eher einer bestimmten weltanschaulichen „Haltung“ verpflichtet sieht als der Wahrheit, nähert sich religiöser Glaubensverkündigung an. Wo etwas nicht mehr in Frage gestellt werden darf, stehen Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte zur Disposition. Die Menschheit hat sich von der Epoche der Aufklärung in eine Epoche der großen Verklärung zurückentwickelt.