Das Geschäft mit den Armen im neuen Gewand

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Nächste Eskalationsstufe der Dekadenz !

 

von Wilfried Kahrs    QPress

 

Deutsch-Absurdistan: Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich auf die Idee kommen, da habe jemand die perfekte Synthese zwischen Geschäft und Wohlfahrt neu erfunden. Bei näherem Hinsehen und Nachdenken über die Begleitumstände beschleichen den Betrachter allerdings bösartige Gedanken, denn die Geschichte birgt mehr Sprengstoff als sozialrevolutionäres Gedankengut. Bösartig könnte man vermuten, dass Geschäft mit der Armut wurde neu entdeckt. Tatsächlich ist das aber eher bittere Tradition, die jetzt womöglich nur ihre Fortsetzung mit einem neuen Produkt feiert.

Die gut gemeinte Idee ist schnell erklärt und ergibt sich schon aus der beigefügten Illustration. Öffentliche Müllbehältnisse sollen mit dem sogenannten „Pfandring“ aufgerüstet werden, in dem die Passanten ihre Pfandflaschen abstellen können. Pfandsammler sind dann nicht mehr gezwungen, dass gesamte Müllbehältnis nach verwertbaren Pfandflaschen zu durchwühlen. Ein Anblick, den viele Menschen gar nicht schätzen, weil es der deutlichste Beweis für die Präsenz von Armut ist. Die will keiner sehen. Nun, ob das Umkrempeln der Mülltonnen damit dann ein Ende hat, müsste durch empirische Studien noch belegt werden. Bislang kursiert noch die Vermutung, dass die Betroffenen darin auch nach Essensresten suchen und nicht nur Non-Food-Artikel aus der pfandhaltigen Kategorie. Aber lesen wir doch einfach mal die Kurzbeschreibung der "Erfinder":

Der Pfandring ergänzt öffentliche Mülleimer um eine clevere Abstellmöglichkeit für Pfandflaschen und -dosen. Er wird außen am Mülleimer angebracht: Flaschen und Dosen können leicht abgestellt und von Pfandsammlern genau so leicht und hygienisch wieder eingesammelt werden. Das Pfandgut landet nicht mehr im Müll und gelangt wieder in den Handel, der Wertstoffkreislauf schließt sich, Handel und Städte zeigen soziales Engagement. Material: Edelstahl (V2A) - zu 100% recyclebar. (hier zu finden auf StartNext)

 

Ob und inwieweit derlei Zierden an den öffentlichen Müllbehältnissen nun eine Augenweide sind, darüber mag man füglich streiten. Vielleicht sind sie sogar als Mahnmal der Armut zu begreifen, welche durch Manifestation dieser Errungenschaften in den betreffenden Städten wie ein Offenbarungseid an allen belebten Plätzen zu sehen sein wird. „Seht her, hier lohnt sich die Armut wieder!“

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