Der Beutebayer: Nachruf auf Dieter Hildebrandt

DruckversionPDF version

 

von Wolfgang Blaschka, München


Das "Kontrollorgan" der Nachkriegs-BRD hat tatsächlich als Kartenabreißer beim Kabarett angefangen. Dort hatte er Erich Kästner erlebt und bewundert. Schon vorher hatte er studentisches Kabarett probiert, und noch davor in einer Spielschar der Hitler-Jugend reüssiert. Er hatte das Komische in der Tragik ausführlich studieren können, das Improvisieren von der Pieke auf gelernt. Der Krieg war sein strengster Lehrmeister. Ihn hat er mit Glück ausgetrickst. Am 8. Mai 1945 um 12.22 Uhr entstieg er wie Phoenix aus der Asche in Unterhosen der Elbe bei Torgau und ergab sich den Amerikanern. Nach kurzer Gefangenschaft fand er seine Eltern wieder, in Bayern, in Weiden in der Oberpfalz. Dort ergaunerte er sich das Abitur zwei Jahre früher mit der kecken Behauptung, er hätte im schlesischen Bunzlau schon zwei Klassen mehr auf dem Buckl gehabt.

Danach hielt ihn nichts mehr in der Provinz. Er ging nach München und wollte studieren, doch musste er Geld verdienen, und so wurde er, der verhinderte Schauspieler, Einlass-Kontrolleur. Aus dem kleinen Beutebayern wurde schließlich der legendäre "Kontrolleur" im Programm "Krisen-Slalom" 1964 der Lach- und Schieß, die er begründete, und darüber hinaus tatsächlich eine moralische Instanz des politischen Lebens im Nachkriegsdeutschland West. Nur einmal war ihm ein Auftritt in der DDR vergönnt, zusammen mit Werner Schneyder in der Pfeffermühle in Leipzig. Den nannte er den Höhepunkt seiner Karriere.

In der "Heimat" gilt der Prophet weniger, manchen sogar als suspekt, als Vaterlandsloser Geselle. Er hat auch gar nicht erst versucht bayerisch zu sprechen. Erst 1992 erhält er die Medaille "München leuchtet", da war er bundesweit längst eine Größe. Bis zuletzt geistig mobil. Noch in diesem Jahr ließ er sich auf die Neuen Medien ein und mischte beim "stoersender-tv" mit. Und plötzlich: München leuchtet nicht mehr, obwohl die Weihnachtsdekorationen seine Fußgängerzonen kampf-beleuchten. Wieder ein Licht weniger. Kein Witz: Es ist November, und Dieter Hildebrandt ist tot. Der Prostata-Krebs hat ihn übermannt.

 

bitte Artikel im Forum weiterlesen