#Deutschland schuldet #NS-Opfern Entschädigung

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Interview von To Xwni (Athen, GR) mit Ulla Jelpke, MdB


Interview mit griechischer Onlinezeitschrift: "Die Bundesregierung zögert nicht, von Griechenland die Rückzahlung von Schulden zu fordern, auch wenn das bedeutet, die griechische Bevölkerung in regelrechte Armut zu stürzen, aber sie weigert sich, ihre eigenen Schulden zu bezahlen. Das ist offensichtlich verlogen und zynisch."

In der griechischen Internetzeitschrift To Xwni, einem bewegungsorientieren linken Medium, habe ich ein längeres Interview zur Frage der Entschädigung für griechische NS-Opfer gegeben. Das Interview wurde auf Englisch gegeben, hier eine (eigene) deutsche Übersetzung.

To Xwni: Europastaatsminister Michael Roth erklärte neulich, die Frage der Reparationen sei unter juristischen Gesichtspunkten endgültig geklärt. Das ist dieselbe Position, die die Berliner Regierung schon mehrfach vertreten hat. Die Linke scheint da eine andere Meinung zu haben, wenn wir die Anfragen ihrer Parlamentsfraktion betrachten. Trifft das zu?


Ulla.J.: Die Fraktion DIE LINKE hat zahlreiche sogenannte Kleine Anfragen ins Parlament eingebracht, die sich mit der Frage der Reparationen für die Verbrechen beschäftigen, die die Nazis während des Zweiten Weltkrieges begangen haben. In diesen Anfragen halten wir fest, dass eine Menge Opfer bis heute keine Entschädigung erhalten haben, und wir verlangen, sie in die bestehenden Entschädigungsregelungen einzubeziehen. Dabei erwähnen wir insbesondere griechische Opfer, vor allem den Distomo-Fall, italienische Opfer (die Opfer von Massenerschießungen, die sich 1944 und 1945 in Norditalien ereignet haben, und die Zwangsarbeiter, die sog. Italienischen Militärinternierten), jüdische Ghettoarbeiter, Opfer des sogenannten Euthanasieprogramms, und sowjetische Kriegsgefangene (weil die Umstände ihrer Gefangenschaft KZ-ähnlich waren).

In unseren Anfragen fordern wir für alle, die unter Nazi-Gräueltaten gelitten haben, oder deren Angehörige ein Recht auf Entschädigung. Die Argumentation der Bundesregierung empfinden wir als ausgesprochen zynisch. Jahrelang hat sie den Opfern gesagt, sie sollten warten, bis Deutschland eien Friedensvertrag mit der früheren Anti-Hitler-Koalition geschlossen habe, und als dies 1990 in Form des Zwei-plus-Vier-Vertrages geschah, behauptete die Regierung, es sei „zu spät“ für jedwede Forderungen: Es wäre „ohne jede Präzedenz“, 65 Jahre nach einem Krieg Reparationen zu verlangen. Ich sage: Die Naziverbrechen waren „ohne jede Präzedenz“, und die deutsche Regierung hätte die Entschädigungen schon lange vor 1990 zahlen sollen.

Die Bundesregierung meint, der
Zwei-plus-Vier-Vertrag befreie Deutschland von seiner Pflicht, jegliche Reparationen zu zahlen. Der Bundesgerichtshof teilt diese Meinung leider. Aber Griechenland hat, wie auch Italien, den Vertrag nicht unterzeichnet, diese Länder haben in der Charta von Paris 1990 lediglich Kenntnis von ihm genommen. Die Rechtslage ist damit keineswegs so eindeutig wie die deutsche Regierung uns glauben machen will. Umso klarer sollte die politische und moralische Position sein: Deutschland muss seine Verbrechen wiedergutmachen, soweit das möglich ist, und zurückzahlen, was es geplündert hat.

 

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