► von Ulrich Gellermann / RATIONALGALERIE
Es war der gute alte, kalte Krieg, der das "Gleichgewicht des Schreckens" hervorgebracht hatte. Die USA und die Sowjetunion hatten so viele Atomwaffen in ihren Arsenalen, dass jede Macht die andere mehrfach zerstören konnte. Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter, war die Erkenntnis, der eine gewisse, makabre Vernunft zugrunde lag. Schon seit geraumer Zeit scheint die Logik, nach der Kriege geführt werden, um sie zu gewinnen, in den USA ausgesetzt zu sein. Kriege wie der im Irak oder in Libyen kennen keine klassischen Gewinner. Kein Landgewinn ist zu erkennen, kaum Rohstoffgewinne sind zu verzeichnen, kaputte Staaten sind die einzig messbaren Ergebnisse. Immerhin wurden diese Kaputtmach-Kriege bisher ohne Atomwaffen geführt. Das soll sich ändern. Das "Center for Strategic and International Studies" (⇒ Webseite des CSIS) in Washington hält in seinem Report PROJECT ATOM kleine Atomkriege "kontrollierte nukleare Angriffe" für möglich.
Die CSIS-Denkfabrik liegt an der Rhode Island Avenue Washington. Das "National Geographic Museum" mit seinen wissenschaftlichen Beständen ist nicht weit entfernt. Und wer das "Kramerbooks & Afterwords Café" auf der nahegelegenen Connecticut Avenue mit ihren zweistöckigen Häusern besucht, der könnte glauben, er sei in Europa: Gute Bücher, gutes Essen, gute Leute prägen das Bild. So möchte man in Deutschland die USA sehen: Zivilisiert und berechenbar. Doch wer sich die Namen der Aufsichtsräte des CSIS anschaut - Henry Kissinger, Zbigniew Brzeziński, James R. Schlesinger sind darunter - der erkennt nicht nur den bedeutenden Einfluss der Institution auf die amerikanische Regierungspolitik, an den Namen lassen sich auch die Kriege der USA ablesen: Von Vietnam über Afghanistan bis zur Ukraine. Die Aufsichtsräte waren als Planer oder Administratoren immer und gern dabei.
Natürlich kommt auch die verrückteste Theorie nicht ohne den Anschein von Logik aus: "Die amerikanische Heimat wäre von einer Reaktion der USA auf einen atomaren Angriff auf einen regionalen Verbündeten nicht betroffen“, schreibt der CSIS-Report der US-Regierung ins Hirn. Man kann, so ist die Denke der wahnsinnigen Strategen, nette kleine Atomkriege führen, ohne das Leben der US-Bürger zu gefährden. Durch die „Stationierung robuster, zielgenauer nuklearer Reaktionsoptionen“ könnten die USA taktische Atomschläge „auf allen Stufen der nuklearen Eskalationsleiter führen“ will der Report glauben machen. Und senkt so die Schwelle für den atomar geführten Krieg: Wer zuerst schießt, so hoffen die Irren an der Rhode Island Avenue, könnte überleben.
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