Die Welt verändern in Zeiten des Krieges.

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Wer soll das tun?   Welche Theorie ist dazu nötig?

 von Jürgen Meier , Hildesheim

„Es ist an der Zeit!“ Kriege zu beenden. Es ist an der Zeit Kriege zu verhindern! Auch uns haben sie schon genauso belogen, wie die Menschen, die voller Hass im Taumel zweier Weltkriege im Franzosen oder im Russen den Feind alles Menschlichen erkennen sollten. Deshalb ist es an der Zeit sich die letzte Liederstrophe von Hannes Wader noch einmal genau anzuhören:


Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur

Von deinem Leben, doch hör' meinen Schwur

Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein:

Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein

Dann kann es geschehen, dass bald niemand mehr lebt

Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt

Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit

Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit

Wer die Welt der Kriege beenden und verhindern will, muss nicht nur wissen warum sie überhaupt in einem Zeitalter entstehen können, in denen eigentlich alles im Überfluss vorhanden ist, sondern muss in erster Linie eine sinnliche Fähigkeit für das menschliche Leben entwickeln können. Die Kunst der Lieder, Bilder und Theater kann hier nützlich sein. Das wusste Erich Fromm, der mit den Möglichkeiten des Psychoanalytikers diese Erkenntnis differenzierte. Er stützte sich in vielen seiner Aufsätze auf die theoretischen Erkenntnisse von Karl Marx, der in seinen Frühschriften notierte, das die Menschen leidensfähig sein müssten. Es muss weh tun, wenn wir sehen, wie gelogen und gemetzelt wird. Was schmerzt, wollen wir abschaffen. Wir müssen also sinnlich spüren können, wie unmenschlich und kulturlos es ist, wenn der Mensch im anderen Menschen, wenn ein Volk im anderen Volk, nur die Konkurrenten sieht, die liquidiert werden sollen, um das eigene Interesse, die eigene Rasse, Nation, Religion oder Kultur gegen sogenannte Barbaren oder Antidemokraten zu verteidigen.

Der Mensch ist, so Marx, ein allseitig, mit fünf Sinnen ausgestattetes Wesen, das als Gattungswesen teleologisch die gegenständliche Welt durch Arbeit zu einer menschlichen Welt mit hoher Kultur gestalten kann.

Es gibt nur die eine Menschheit und die menschlichen Verhältnisse eines jeden Menschen zur Welt, hergestellt durch "Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben, kurz, (mit) allen Organen seiner Individualität. (Sie) sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben.“ Fromm zieht daraus die Schlussfolgerung: Indem sich der Mensch „mittels seiner Kräfte mit der gegenständlichen Welt in Beziehung setzt, wird die Außenwelt für den Menschen wirklich“ Der Mensch muss sich in Beziehung setzen zum Gattungsleben. Wir eignen uns die Welt sinnlich, denkend und handelnd als gesellschaftliche Wesen an. Durch Arbeit in der uns äußeren und mit der uns eigenen Natur werden wir Subjekt des gesellschaftlichen Seins.

Unser Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Denken und Wollen kann und wird aber mit immer größerer Perfektion manipuliert. Wir werden, wie Fromm sagt, verdinglichte Menschen, die sich als Objekte und Instrumente des Marktes zu Marketingcharakteren verstümmeln. Als Objekte des Marktes hören sie auf, sich als Subjekte ihrer Geschichte zu begreifen. „Dieser Charaktertyp,“ so Fromm, „ist historisch gesehen eine neue Erscheinung, denn er ist das Produkt eines voll entwickelten Kapitalismus, in dessen Mittelpunkt der Markt steht...und dessen Prinzip es ist, durch günstigen Tauschhandel einen möglichst hohen Profit zu erzielen.“ Das „der moderne Kapitalist den Arbeiter `anstellt´...zum Zwecke des Profits“ der Profit also eine Kategorie des gesellschaftlichen Seins des Kapitalismus ist, war Fromm natürlich bewusst, dennoch bezieht er hier den Begriff Profit auf den „neuen Menschentyp“, den er auch den „kybernetischen Menschen“ nennt, der durch den scheinbaren Sachzwang des weltweiten Konkurrenzkampfes der Monopole entsteht.

Der moderne Mensch besitze „hervorragende Intelligenz, aber seine Vernunft degeneriert immer mehr.“ Unser Verhalten zur gegenständlichen Welt ist von diesem Blick der Rivalität beeinflusst. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wir gebrauchen unsere Intelligenz häufig um Neid, Ehrgeiz, Geiz und Habgier als Selbstbewusstsein zu kaschieren. Der Blick auf die Konkurrenzschlachten der Kapitale vermittelt bei der Mehrheit der Menschen, die als Lohn-und Gehaltssklaven abhängig sind, Angst. Diese Angst verhindert zusätzlich die Entwicklung des Menschen hin zur Entfaltung und Kultivierung all seiner individuellen Organe. Davon sind wir alle betroffen. Auch die kritischen Geister, die genau wissen, warum der Kapitalismus gesetzmäßig Kriege hervorbringt, um u.a. die Überakkumulation, bzw. den tendenziellen Fall der Profitrate letztlich durch Zerstörung aufhalten zu wollen, um nach der Zerstörung neue „Wirtschaftswunder“ schaffen zu können.
 

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