Eine kurze Geschichte der Hamas

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Die Hamas wird von westlichen Medien gerne in Nähe der Nazis gerückt. Doch mit Antisemitismus ist der Aufstieg der Islamisten nicht zu erklären – durch die israelische Politik schon.

 

Eine Analyse von Paul Grasse und Stefan Ziefle


Der Ausbruch der Intifada im Dezember 1987 hat vieles verändert. Es war der erste allgemeine Aufstand der Bevölkerung in den von Israel seit 1967 besetzten Gebieten. Zum ersten Mal war der Kampf gegen die Besatzung nicht beschränkt auf bewaffnete Gruppen wie die Fatah von Jassir Arafat. Die Bewegung erfasste jede und jeden. Volkskomitees wurden zur Koordinierung der Proteste gegründet, Hunderttausende beteiligten sich an Demos und Blockaden, die palästinensischen Arbeiter in Israel streikten. Die alten Konflikte zwischen den verschiedenen palästinensischen Strömungen gerieten in den Hintergrund.



Die Gründung der Hamas

In dieser Stimmung befanden die Führer des Ablegers der ägyptischen Moslembrüder in Gaza (der 1979 von Israel anerkannten al-Mujamma al-Islami), dass es an der Zeit für einen Strategiewechsel war. Bis dahin war ihre Politik auf die „Islamisierung“ der Gesellschaft durch Erziehungsarbeit und Wohlfahrt ausgerichtet – diese Innenorientierung war es, die sie unter „Jihad“ („Heiliger Krieg“) verstanden.
 

 

Damit verbunden war das Argument, dass der inneren Befreiung durch den Glauben irgendwann auch die äußere Befreiung von der Besatzung folgen würde. Aber die Stimmung des Aufstandes erfasste auch die Mitglieder der Mujamma und die Organisation erkannte, dass sie jeglichen Einfluss verlieren würde, wenn sie sich nicht anpasste. So würde ein politischer Arm gegründet: die Hamas.

Der Name ist ein Akronym für das arabische Ḥarakat al-Muqāwamah al-ʾIslāmiyyah, was Islamische Widerstandsbewegung bedeutet. Die Hamas lehnte die weltlichen palästinensischen Parteien unter dem Dach der PLO ab und betonten die Religion. In ihrer Sprache wurde der nationale Konflikt zu einem religiösen, einem zwischen Muslimen und Juden. Damit brach Hamas absichtlich mit den Traditionen des palästinensischen Widerstandes, um sich von der PLO abzusetzen. Dadurch bekam der Widerstand gegen Besatzung in der Diktion der Hamas einen anti-jüdischen Charakter, der in der Gründungscharta zum Beispiel durch Bezugnahme auf das antisemitische Machwerk der russischen Geheimpolizei die „Protokolle der Weisen von Zion“ deutlich wird. Aber anders als die Antisemiten in Europa hat die Hamas keinen Sündenbock konstruiert, sondern den Fehler gemacht, den viele Unterdrückte in der Welt machen: die Propaganda ihres Gegners für bare Münze zu nehmen.
 

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