► Von Kerem Schamberger / amerika21
Mit der Darstellung Kubas als anachronistisches System soll der "real existierende" Kapitalismus als alternativlos dargestellt werden
Der Student der Kommunikationswissenschaft, Kerem Schamberger, untersuchte im Rahmen seiner Bachelorarbeit am "Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung" (IfKW) der Ludwig-Maximilians-Universität München die Berichterstattung der Tageszeitungen "Die Welt" (DW), "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und "Junge Welt" (JW) über Kuba.
Mithilfe der Diskurstheorie des französischen Soziologen Michel Foucault und eines daran angelehnten Kategoriensystems analysierte er das Kuba-Bild in den deutschen Medien.
Eine foucaultsche Diskursanalyse geht davon aus, dass die diskursiven Praktiken von Tageszeitungen überhaupt erst "systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen" [1]. Sie bringen "Objekte des Wissens" [2] hervor. Da sich vermutlich nur ein geringer Teil der deutschen Bevölkerung tiefgehend mit Kuba beschäftigt oder sogar selbst auf der Insel war (jährlich sind cirka 100.000 Deutsche auf Kuba), sind diese Diskurse so wirkmächtig [3].
Kuba, das ist für die SZ und DW ein anachronistisches System, das keinerlei Existenzberechtigung mehr hat (Anachronismusdiskurs) und von einem diktatorischen Herrscher namens Fidel Castro angeführt wird, der für alle Probleme des Landes persönlich verantwortlich ist, obwohl seit einigen Jahren Raúl Castro an der Spitze des Staates steht (Personifizierungsdiskurs). In der JW hingegen wird Kuba als gesellschaftlich fortschrittliches System beschrieben (Fortschrittsdiskurs). Der Fortschrittsdiskurs findet in diesem Artikel keine weitere Erwähnung. Eine Liste aller analysierten Zeitungsartikel findet sich im Anhang.
► Anachronismus-Diskurs
"Sind 50 Jahre kubanische Revolution nicht genug?" ("Die Welt")
"Der kubanische Patient“ ("Süddeutsche Zeitung")
"Mit Fidel als grimmigem Museumswärter" ("Süddeutsche Zeitung")
Kuba wird in der Berichterstattung der SZ und DW durch die Brille des Anachronismusdiskurses konstruiert. Damit ist gemeint, dass Kuba als "letztes Relikt des Kalten Krieges" [4] in einer vermeintlich modernen Welt des Kapitalismus gesehen wird. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus, beginnend im Jahr 1989, stellt Kuba das letzte Überbleibsel dieses Gesellschaftssystems von gestern dar. Dabei spiegelt sich dieser Diskurs in jedem Thema und Unterthema wider, sei es der 50. Jahrestag der Revolution, die Krankheit Fidel Castros beginnend im August 2006 oder auch die herbeigesehnte "Marktöffnung Kubas nach der Ära Castro" [5]. Es herrscht Unverständnis, warum auf der Karibikinsel noch immer nicht die Marktwirtschaft eingeführt wurde [6].
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