Gotteskrieger - oftmals unfreiwillige Helfershelfer ganz anderer Interessen

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von Christophe Zerpka / Zweiwochenschrift Ossietzky


»Caedite eos. Novit enim Dominus qui sunt eius.« Am 22. Juli 1209 wurde an der Bevölkerung der südfranzösischen Stadt Béziers ein Massaker verübt. Der Kreuzzug gegen die Katharersekte war in vollem Gange, ein beutegieriges Söldnerheer hatte es auf den Reichtum der Städte am Mittelmeer abgesehen. Arnaud Amaury, der vom Papst ernannte Heerführer der Kreuzritter, antwortete auf die Frage, was mit jenen geschehen sollte, die behaupten, Katholiken zu sein: »Tötet sie alle, der Herr wird die seinen schon erkennen.« In einem Brief an Papst Innozenz III. schrieb der Abt von Cluny später stolz von 20.000 Getöteten. Eigentlicher Profiteur dieses Kreuzzuges war freilich der französische König Philippe II., der schon lange ein Auge auf das reiche Okzitanien hatte. Die Macht hatten dort aber der König von Aragon und der Graf von Toulouse. Im Jahre 1229 fiel der Landstrich an Frankreich.


Im Namen Gottes wird bis heute in den Kampf gezogen. Jenes höhere Wesen, wie Böll es in einer Satire nannte, eignet sich hervorragend für die Legitimierung von Kriegen und Völkermorden. Denn der Herr äußert sich nicht direkt, sondern läßt seine menschlichen Stellvertreter verkünden, was zu tun sei, und lebensgefährlich ist es, die Gottheit zu hinterfragen.

  • Im 16. Jahrhundert wurde die Eroberung des amerikanischen Kontinents und die weitgehende Ausrottung der indigenen Bevölkerung mit deren Gottlosigkeit gerechtfertigt.
  • Den Kolonialtruppen, die den afrikanischen Kontinent unterwarfen, folgten alsbald Heerscharen von Missionaren zur Bekehrung der Heiden.
  • Im 20. Jahrhundert wurde vor allem im Ersten Weltkrieg der Allmächtige von allen Beteiligten heftig bemüht. Der russische Zar berief sich ganz selbstverständlich auf das Gottesgnadentum, die deutschen Soldaten verkündeten auf der Gürtelschnalle ihrer Uniformen, daß Gott mit ihnen sei, in allen Armeen beschworen Feldgeistliche den Schutz des jeweils Allmächtigen.
  • Im Zweiten Weltkrieg wurde das höchste Wesen zumindest in Europa weniger in Anspruch genommen. Das imperiale Japan freilich war mit seinem Gottkaiser Hirohito bis zur militärischen Niederlage 1945 eine kriegerische Theokratie.

Nach dem Krieg geriet das Modell des Gottesstaates in Vergessenheit, die Verheißungen von Demokratie und nicht endendem Fortschritt, revolutionäre Veränderungen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas und eine fortschreitende Säkularisierung machten religiös motivierte Kriege scheinbar obsolet.

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