Hans-Dietrich #Genscher: Wegbereiter deutscher Großmachtpolitik

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von Peter Schwarz / wsws.org


„Strippenzieher“ ist einer der häufigsten Begriffe, den man in Nachrufen auf Hans-Dietrich Genscher findet, der in der Nacht zum Freitag im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Genscher scheute zwar nie das politische Rampenlicht, doch seine wichtigsten politischen Taten vollbrachte er abgeschirmt von den Blicken der Öffentlichkeit. Sie bleiben bis heute geheimnisumwittert.

So bleibt seine Rolle beim Sturz von SPD-Bundeskanzler Willy Brandt 1974 und von seinem Nachfolger Helmut Schmidt 1982 bis heute umstritten. Zweimal wechselte auf Genschers Initiative der Bundeskanzler und der Kurs der Regierung, einmal sogar die Regierungskoalition, ohne dass eine Bundestagswahl stattgefunden hätte. Ebenso anrüchig ist Genschers Rolle beim Ausbruch des Jugoslawienkriegs, den er durch die übereilte Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens maßgeblich mit auslöste.
 

 

Genschers Fähigkeit, hinter den Kulissen zu intrigieren, offenen Konflikten auszuweichen und sich rätselhaft auszudrücken, die den Begriff „Genscherismus“ prägte, entsprang weniger seinem persönlichen Charakter, als der Lage Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.

Als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs, das halb Europa in Trümmer gelegt und den größten Völkermord in der Geschichte verübt hatte, konnte die Bundesrepublik ihre globalen wirtschaftlichen und politischen Ambitionen nicht arrogant und polternd vertreten, wie dies Kaiser Wilhelm II. und Hitler getan hatten. Sie musste sich bescheiden geben, sich mit allen gut stellen, lavieren, Netzwerke knüpfen und Abhängigkeiten schaffen, um in die Riege der Weltmächte zurückzukehren.

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