Ich will nicht! Bloßstellungen eines vogelfreien Undichters

von Franz Schandl / Streifzüge 72/2018

I.

Ich. Wer bin ich? Oder doch, was? Ich schreibe. Bin ich Schriftsteller? Aber woher denn! Und vor allem auch, wozu? Was ist mit einem, der nicht behaupten will, Schriftsteller zu sein, kann der sich behaupten, wenn er schon die Behauptung verweigert? Soll ich nicht doch noch Schriftsteller werden? Zumindest werden wollen? Versuchen, mich zu behaupten am Markt der Essays und Bücher. Meinen Platz einzunehmen in der Welt, wie es halt die Verpflichtung der Bürger ist. Aber warum soll ich diese Pflicht erfüllen, wo sie doch meiner Neigung so gar nicht entspricht. Warum soll ich mich fügen?

schriftsteller_klagsschriften_systemkritik_systemkritiker_systemfeind_dichter_undichter_kritisches_netzwerk_lohnschreiberei_lohnschreiber_journalismus_schreibprozess_sprachsamkeit_achtsamkeit.pngIndes, ich will nicht! Ich will nicht etwas sein, weil man etwas zu sein hat. Ich will nur sein. Wenn ich dichte, bin ich kein Dichter, wenn ich denke, bin ich kein Denker, wenn ich backe, bin ich kein Bäcker, und wenn ich laufe, bin ich kein Läufer. Warum soll ich mich durch meine Prädikate definieren lassen? Ich dichte gerne, ich denke gerne, ich backe gerne, ich laufe gerne. Aber das tue ich, sein tue ich etwas anderes, aber eben nichts Dezidiertes. Es ist dieser bescheidene Wunsch, ich zu sein, der mich motiviert.

Nie bedrängte mich der Wunsch, Schriftsteller zu werden, aber seit ich ungefähr fünfundzwanzig war, spüre ich, dass ich etwas zu sagen habe und dass das zu Sagende schriftlich gemacht werden muss, will es Halt und Inhalt gewinnen. Aber nie wollte ich mich bezichtigen lassen durch eine Zuordnung, nie wollte ich in eine Schublade gesteckt werden, immer wollte ich in meiner Tragweite gesehen und angenommen werden. Meine Akzeptanz sollte nicht Folge eines Jobs sein und schon gar nicht die einer Vermarktung. Entschieden lehne ich es ab, bewertet, anstatt geschätzt zu werden.

Indes, ich will nicht! Mich zu spezialisieren, das war mir stets fremd. Nicht mangelnde Kompetenz verordnete mir diesen schrägen Zustand, sondern einfach die Lust, auf die Fülle zuzugreifen, mich nicht zu verengen oder gar einzugraben in einem Gebiet, wo ich dann als Fachmann oder Experte glänzen könnte. Das Partielle hat nie so gereizt wie das Ganze. Jeder Ausschnitt ist mir zu wenig. Nicht einen Teil des Lebens will ich, das Leben schlechthin möchte ich. Was sonst soll man wollen? Freilich kann ich nur dafür leben, aber nicht davon.

weiterlesen