KLAR!TEXT: Eine Trostsuche bei den Altvorderen

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von Dr. Klaus Fürst


So lange aber der oberste Grundsatz der Staaten von einem empörenden Egoismus zeugt,

und solange die Tendenz der Staatsbürger nur auf das physische Wohlsein beschränkt ist,

so lange, fürchte ich, wird die politische Regeneration, die man so nahe glaubte,

nichts als ein schöner philosophischer Traum bleiben.


                                                                                                                                                         Friedrich Schiller

 

Ich gebe es zu: zwei Wochen nach der Wahl dieses herausragende Ereignis zu resümieren, ist geradezu anachronistisch, wo doch schon am Wahlabend tiefgründige Analysen und Kommentare ins Netz gestellt wurden. Aber ich hatte einfach keine Lust, mich an der Debatte zu beteiligen, wer mit wem und wenn ja, was dann. All das erscheint ohne jede Relevanz, angesichts des globalen Flurschadens, den diese Regierung angerichtet und den der Wähler nunmehr abgesegnet hat.

Aber die Situation erinnerte mich dunkel an ein paar Klassikerzitate, und so verbrachte ich die letzten Abende damit, bei denen Trost zu suchen. Aber was ist das eigentlich für ein Trost festzustellen, dass über Jahrhunderte alles beim Alten geblieben ist? Ich konnte dem resignierenden Schiller nachfühlen, der angesichts des Desasters der Französischen Revolution, das den Verheißungen der Aufklärung folgte, feststellen musste, »dass derjenige noch nicht reif ist zur bürgerlichen Freiheit, dem noch so vieles zur menschlichen fehlt. ... Nur seine Fähigkeit, als ein sittliches Wesen zu handeln, gibt dem Menschen Anspruch auf Freiheit; ein Gemüt aber, das nur sinnlicher Bestimmungen fähig ist, ist der Freiheit so wenig wert, als empfänglich.«1

Was anderes reflektiert denn dieses Wahlergebnis, als dies, dass es der Hälfte der Leute auf nichts anderes ankommt als auf ihr persönliches Wohlergehen. Wäre es nun so, dass diejenigen sich um ihr nacktes Überleben zu sorgen hätten, so wäre es noch nachvollziehbar, denn dann verdienten sie »mehr unser Mitleid als unsre Verachtung ... Aber diese Entschuldigung kommt denjenigen nicht zu statten, welche ein besseres Los vom Joch der Notwendigkeit entbindet, aber ihre eigene Wahl und Neigung zu Sklaven der Sinne macht. ... Der Entschluss zur Aufklärung ist ein Wagestück, welches Losreißung aus dem Schoße der Trägheit, Anspannung aller Geisteskräfte, Verleugnung vieler Vorteile und eine Beharrlichkeit des Muts erfordert, die dem verzärtelten Sohn der Lust viel zu schwer wird. Sie ziehen den Dämmerschein dunkler Begriffe ... dem Tageslicht deutlicher Erkenntnisse vor ... Sie sind bange, die Lieblingsideen aufgeben zu müssen, denen nur die Dunkelheit günstig ist, und mit ihren Wahnbegriffen zugleich die Grundsäulen einstürzen zu sehen, die das morsche Gebäude ihrer Glückseligkeit tragen.«2
 

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