#Massenüberwachung: #Wettrüsten im Informationskrieg

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von Dr. Rolf Gössner


Noch während der Weimarer Republik hatte das Reichsgericht den pazifistischen Publizisten und Herausgeber der Zeitschrift »Die Weltbühne«, Carl von Ossietzky, zu anderthalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt: wegen des Verrats militärischer Geheimnisse. Das war 1931. Die Weltbühne hatte den heimlichen Aufbau einer deutschen Luftwaffe, der nach dem Versailler Vertrag völkerrechtlich strikt untersagt war, enthüllt. Der justizielle Angriff auf die Pressefreiheit, der spektakuläre politische Weltbühne-Prozeß und die anschließende Verurteilung der Militärkritiker erregten deshalb auch großes Aufsehen im In- und Ausland.

Carl von Ossietzky war ein couragierter Publizist, der einem Luftfahrtexperten – heute würde man wohl sagen: einem Whistleblower – dazu verhalf, seine Erkenntnisse über die Luftwaffe in der Weltbühne öffentlich darzulegen. Autor war der Flugzeugkonstrukteur und Pazifist Walter Kreiser (unter Pseudonym: Heinz Jäger), der deshalb zusammen mit Ossietzky wegen Geheimnisverrats vor dem Reichsgericht angeklagt worden war und 1931 ebenfalls verurteilt wurde, sich allerdings der weiteren Strafverfolgung durch Flucht entziehen konnte. [Anm. Admin: > Urteil]

Heute bewegt sich ein anderer Whistleblower in dieser Tradition und muß harte existentielle Konsequenzen ertragen: der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden. Er enthüllte 2013 unter hohem persönlichen Risiko über seine journalistischen UnterstützerInnen wie Glenn Greenwald und Laura Poitras eine bislang unvorstellbare Dimension geheimdienstlicher Überwachung, die Milliarden von Menschen in aller Welt betrifft und unser aller Leben, Bewußtsein und Verhalten beeinflußt.

Snowden spricht von der »größten verdachtsunabhängigen Überwachung in der Geschichte der Menschheit«. Diese digitale Durchleuchtung ganzer Gesellschaften stellt alle Menschen, die auf irgendeine Art elektronisch kommunizieren, unter Generalverdacht, unterhöhlt die Unschuldsvermutung, führt zu massenhafter Verletzung von Privatsphäre und Kommunikationsfreiheit, stellt verbriefte Grundrechte, ja die Demokratie insgesamt in Frage.

Im Zuge der Snowden-Enthüllungen stellte sich heraus, daß nicht allein US- und britische Geheimdienste in den globalen Massenüberwachungsskandal involviert sind, sondern daß auch bundesdeutsche Geheimdienste – BND, Verfassungsschutz und MAD – aufs engste in diesen menschenrechtswidrigen Geheimverbund verflochten sind. Sie profitieren von überlieferten Daten und übermitteln selbst Millionen von Telekommunikationsdaten aus Deutschland. Snowden spricht bildhaft davon, daß deutsche und US-Geheimdienste »miteinander ins Bett gehen« – eine wahrlich grauenhafte Vorstellung: Sie tauschen nicht nur massenhaft Informationen, sondern teilen auch Instrumente, gemeinsame Datenbanken, Spähprogramme sowie Infrastrukturen. Oder, wie der ehemalige NSA-Mitarbeiter Thomas Drake es ausdrückt: Der Bundesnachrichtendienst habe sich zum »Wurmfortsatz« der NSA entwickelt.
 

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