Mutti macht's doch wohl nicht ohne!?

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Der Wählerwille lässt das Koalitions-Karussell durchdrehen

von Wolfgang Blaschka, München


Der ideelle Gesamtwähler hat gesprochen, in 80.000 Stimmbezirken und 299 Wahlkreisen bei 61,8 Millionen Wahlberechtigten, davon 31,8 Mio. (51,5 %) weiblich und 30 Mio (48,5 %) männlich, und das bei 3 Millionen Erstwählern, einigermaßen gutem Wetter und in der 84-prozentigen Überzeugung, dass Mutti Merkel "unser Land in der Welt gut" vertrete. Eine statistische Meisterleistung! Nachdem er über Monate gewissenhaft alle 34 Parteiprogramme durchstudiert, kritisch hinterfragt und abgewogen, sämtliche Talkshows gesehen und die meisten Kommentare und Berichte über Streuselkuchenrezepte, IM-Vorlaufakten, Pädophilie-Debatten der 70-er Jahre sowie über Jagdhütten- und Porsche-Besitzer gelesen und verdaut hatte, kam er zu dem abgewogenen Urteil, dass er von den 4451 Kandidaten, darunter ein Viertel Kandidatinnen, eigentlich nur noch eins will: Mutti soll weitermachen. Also gab er sich einen kleinen Ruck nach rechts, aber nicht zu weit, kickte die FDP raus, ließ aber die AfD knapp draußen, wenngleich er sie beinahe reingelassen hätte.

Immerhin hat er zu über 71,3 Prozent entschieden, und damit die Nichtwähler ein bisschen abgestraft. An die Willy-Wahl von 1972 mit 91,1 Prozent kam das freilich nicht heran, aber das hat auch niemand ernstlich erwartet, wenngleich die Erwartungen in der Endphase des Wahlkampfs doch wieder etwas höher gespannt wurden. Punkt 18 Uhr entlud sich am Wahlabend die kunstvoll hochgerechnete Aufgeladenheit in einem Feuerwerk aus bunten Balkendiagrammen und Tortengrafiken, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen real regierender Kanzlerinnen-Union und einer zwar wahlarithmetisch vorhandenen, aber politisch nicht realistisch existierenden Alternative spiegelten, der Chimäre rot-rot-grüner Koalitions-Unmöglichkeit.
 
Die unter der 5-Prozent-Hürde nutzlos gewordenen fast 10 Prozent der bürgerlichen Stimmen opferte der Gesamtwählerwille lieber scheinbar klaren Verhältnissen, die so klar nun auch wieder nicht wurden. Ob es zur absoluten Mehrheit der Unionsparteien am Ende wirklich gereicht hätte oder nicht, war gar nicht so sehr entscheidend fürs Weiterregieren, denn der verantwortungsbewusste Gesamtwählerwille geht ohnehin zu 57 % davon aus, dass eine Große Koalition allemal am besten wäre. Davon dürfte auch die Regierungschefin ausgegangen sein, selbst wenn sie's notfalls auch allein packen könnte, indem sie sich fallweise die jeweils passenden Mehrheiten suchte, die sie noch fast immer bekommen hatte, wenn's drauf ankam.

Denn wäre es für sie überhaupt klug, alle sozialen Grausamkeiten, die zweifellos noch ausstehen, allein zu verantworten? Noch dazu allein mit Horsti, der täglich dreimal rosenkranzmäßig wiederholt, dass er ohne Maut für Ausländer keinen Koalitionsvertrag als Inländer unterschreibt, zumal die Bayern ja eigentlich auch eine eigene Nation sind?! Um in Europa weiterhin kräftig aufzumischen, braucht sie nicht nur eine knappe Minderheit, sondern eine zuverlässige, solide, möglichst große Mehrheit, die größtmögliche. Die Kluft zum restlichen Europa soll ja auch deutlich zementiert erscheinen. Knappe Mehrheiten würden nur individuellen Wankelmut bei Abstimmungen befördern.

 

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