Interview mit Boris Litwinow, Vors. des Obersten Sowjet der „Donezker Volksrepublik“ (DNR)
► kommentiert und übersetzt von KAI EHLERS, PAWEL KANNYGIN (Donezk)
Nach der vorgezogenen Parlamentswahl im Westen der Ukraine haben die bisher nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk (DNR) und Lugansk (LNR) für den 2. November ihrerseits zur Wahl aufgerufen. Von ihr versprechen sie sich eine demokratische Legitimation. Inhaltliche Positionen zu diesen Wahlen sind bisher im Westen kaum bekannt geworden. Vor Kurzem erschien ein Interview mit einem Mitglied der Führung der DNR, Boris Litwinow, in der russischen Nowaja Gazeta, das einen interessanten Einblick in die Situation gibt, die jetzt zwischen Kiew und dem Donbass entstanden ist, sowie über den politischen Stand der Donezker Führung.
Litwinow ist zurzeit der zweite Mann der DNR nach dem offiziell als ihr Premier auftretenden Alexander Sachartschenko. In Sachartschenkos Kompetenz liegen die Fragen des Krieges, aktuell auch die Waffenstillstands- bzw. Friedensverhandlungen zwischen den Konfliktparteien in Minsk; in Litwinows Kompetenz liegt, wie er in dem Gespräch erklärt, der „Aufbau des friedlichen Lebens“. Das betrifft wesentlich die für die Wahl jetzt wichtigen Fragen. Litwinow ist Autor der Deklaration zur Souveränität der DNR, Urheber ihrer Verfassung und ihrer Gesetze. Er leitet zurzeit den noch nicht gewählten Obersten Sowjet der Republik. In der Zeit vor Bildung der DNR leitete Litwinow die Parteizelle der Kommunisten der Kirowsker Region von Donezk. Vor Kurzem gründete er die Kommunistische Partei der DNR.
Litwinow gehört offensichtlich zu den Vertretern der Donbasser Republik, die sich aktiv für die Stabilisierung des Status quo zwischen Kiew und Donbass einsetzen. Genaueres dazu geht aus dem Gespräch hervor. Das soll hier nicht vorweggenommen und auch nicht eingegrenzt werden. Begleitend sei lediglich angemerkt, dass Litwinow als Urheber der Verfassung und als Vorsitzender des Obersten Sowjet zwar eine wichtige Stimme hat, als langjähriger Funktionär der Kommunistischen Partei aber auch in seiner neuen Rolle als wieder erwachter Revolutionär ein paar hausbackene Positionen mit sich schleppt, die nicht unbedingt von allen aktiven Teilen der Donbasser Aufständischen geteilt werden.
Eher dürfte es um die von Litwinow vertretenen Positionen nach den Wahlen vom 2. November spiegelbildlich zu den Auseinandersetzungen um die von Kiew durchgeführten Wahlen auch im Osten heftige Zusammenstöße geben. Hier wie dort wird es dabei um die Frage gehen, ob die radikalen Kräfte der jeweiligen Seiten eine Parlamentarisierung der Konflikte der Ukraine und einen die chaotischen Verhältnisse stabilisierenden Dialog akzeptieren, oder ob sie den Konflikt auf eigene Faust weiterführen.