„Nach Paris ist alles anders“?

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Angst-, Aufrüstungs- und Kriegsreflexe nach den Terroranschlägen in Paris


Nichts gelernt in Sachen Terrorursachen und „Terrorbekämpfung“!?


von Dr. Rolf Gössner


„Nach Paris ist alles anders“, hören wir seit den grauenvollen Anschlägen am 13. November. Stimmt das? Tatsächlich frage auch ich mich nach jedem großen Anschlag: Muss ich etwa manches widerrufen, zumindest in Frage stellen, was ich bisher Staatskritisches enthüllt und publiziert habe: etwa über unkontrollierbare Geheimdienste oder über heillose Neonazi-Verflechtungen des „Verfassungsschutzes“ oder über Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Terrorbekämpfung? Doch jedes Mal komme ich zur Überzeugung, dass die Kritik berechtigt bleibt, weil im Spannungsverhältnis Freiheit und Sicherheit auch die politischen Probleme und Reaktionsmuster im Kern gleich geblieben sind - auch dieses Mal, trotz Art und Dimension der grauenvollen Massaker, trotz aller Betroffenheit und Trauer.


I. Fatale Aufrüstungsdynamik mit hohem Gewaltpotential


Und so erleben wir auch dieses Mal wieder die altbekannten sicherheitspolitischen und medialen Reflexe: Neben der Beschwörung „unserer westlichen Werte“ erschallt der immer gleiche hilflose Schrei nach dem starken Staat: nach abermaligen Gesetzesverschärfungen, nach verfassungswidrigen Militäreinsätzen im Inland, nach weiterer Polizei- und Geheimdienst-Aufrüstung, nach noch mehr Überwachung der Bevölkerung. Gerade Geheimdienste erhalten wieder enormen Auftrieb - trotz ihrer Riesenskandale, Ineffizienz und Kontrolldefizite. Insgesamt also eine fatale Aufrüstungsdynamik mit hohem Gewaltpotential, bedrohlicher Kriegsrhetorik, nun auch noch mit völkerrechtswidrigem Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien – Reaktionen mit unkalkulierbaren Risiken, aber ganz im Sinne des sog. Islamischen Staates, der sich zu den Anschlägen bekannte und sich von einer solchen Gewalteskalation neue Terrorhelfer aus und in Europa erhofft.

Sage und schreibe fast 90 Prozent der Bevölkerung sowohl in Frankreich als auch in Deutschland befürworten wieder verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Inland (ARD-Umfrage), sind also bereit, abermals Freiheitsrechte für vermeintlich mehr Sicherheit zu opfern. „Angst ist das Schmieröl der Staatstyrannei“ – es ist diese bittere Erkenntnis, die uns warnen und veranlassen sollte, uns der politisch-medialen Angstmacherei, dem Überwachungswahn, jedem Angriff auf die Bürgerrechte und jeder Kriegstreiberei zu widersetzen.

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