Mahnmal angepisst: Wie man als "ehemaliger" Nazi die Opfer verhöhnt
► von Wolfgang Blaschka, München
34 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat, fast zur gleichen Zeit, als damals die Bombe explodierte, uriniert ein junger Kerl schamlos gegen das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer der Gräueltat. Nun ist das nichts besonderes auf der Wiesn, dass Besoffene ihre Notdurft in aller Öffentlichkeit an allen möglichen und unmöglichen Orte verrichten. Doch an diesem Tag ist es schon etwas anderes als sonst. Entsprechend wütend sind die Reaktionen der Umstehenden: Sie umringen im Pulk den Mahnmalschänder, halten ihn entschlossen fest und übergeben ihn der Polizei. Auf dem Boden liegen im Kreis um die Stele die Namen der Verletzten und Getöteten, nun besudelt; Kränze sind aufgestellt, und Diskussionstrauben umstehen das Rund. Manche in stillem Gedenken, manche irritiert fragend, ratlos, nichtsahnend, doch die meisten halbwegs respektvoll bei aller Betrunkenheit. Nur Wenige trampeln im Suff gedankenlos torkelnd über die Nelken und Rosen, die da niedergelegt sind, auch einige künstliche aus der Schießbude. Unübersehbar ist an diesem Tag die Erinnerung an 1980. Ebenfalls ein Freitag.
Damals am 26. September ließ militärischer Sprengstoff eine Splitterbombe detonieren, direkt am Haupteingang der Wiesn, gegen 22.19 Uhr, kurz vor Schluss in den meisten Bierzelten. Es war das verheerendste Attentat in der deutschen Nachkriegs-Geschichte, bis heute noch immer nicht umfassend aufgeklärt. Franz Josef Strauß kandidierte damals als Bundeskanzler, und wusste bereits 3 Stunden danach auf einer improvisierten Pressekonferenz am Tatort zu verkünden, wer es war: Die Linken als Terroristen, so versuchte er den Schock für seine Law-and-Order-Politik zu instrumentalisieren. Den Innenminister Gerhart Baum (FDP) forderte er sogleich zum Rücktritt auf. Es sollte offenbar ein Klima der Angst und Verunsicherung erzeugt werden, das in der Endphase des Bundestagswahlkampfs den Ruf nach dem "starken Mann" aus dem Süden beflügeln hätte können. Daraus wurde bekanntlich nichts. Was dennoch gelang, war die Vorgabe der Ermittlungsrichtung an die bayerischen Behörden: Wenn schon ein rechter Hintergrund der Tat offenkundig und nicht zu vertuschen war, dann wenigstens durfte es kein organisierter sein, allenfalls das blutige Werk eines durchgeknallten Einzelnen. Die CSU-Staatsregierung hatte sich bis dahin strikt geweigert, die Nazi-Wehrsportgruppe Hoffmann zu verbieten, deren Ex-Mitglied in den Terroranschlag verwickelt war.