

Bilderstürmer
► von Marc-Thomas Bock / Zweiwochenschrift Ossietzky
Wohl niemanden haben die in den vergangenen Wochen weltweit ausgestrahlten Videoaufnahmen kalt gelassen, in denen die Zerstörung von jahrtausendealten assyrischen Baudenkmälern durch Anhänger des sogenannten Islamischen Staates (IS) gezeigt wurde. Historische Stätten wie Ninive und Nimrud wurden durch die Preßlufthämmer und Bulldozer der Terroristen für immer beschädigt. Die symbolträchtigen Mausoleen im nordafrikanischen Timbuktu sind offensichtlich in gleicher Weise gefährdet. Andere Orte des kulturellen Welterbes, vor allem auf syrischem oder irakischem Gebiet, werden vermutlich folgen. Beginnend mit der Vernichtung der zweitausend Jahre alten Buddha-Statuen in Afghanistan durch Taliban-Kämpfer im Jahre 2001 sind in den letzten fünfzehn Jahren wahrscheinlich mehr bedeutende Kulturstätten des Mittleren Ostens vernichtet worden als in Jahrzehnten zuvor.
Der ikonoklastische Furor der islamistischen Kämpfer von Irak bis Mali hat in unseren Medien zu einem Aufschrei des Entsetzens geführt, stärker als dies die Massenexekutionen durch IS, Al-Shabaab oder Boko Haram in ihrer alltäglichen Grausamkeit vermögen.
Nur schwer vorstellbar scheint uns, daß genau diese Reaktion des sich so aufgeklärt gebenden Westens von den Kulturzerstörern vorausgesehen, ja herbeigesehnt worden ist. Es ist auch offensichtlich, daß sich die auf Youtube oder anderen Quellen einsehbaren Terrorvideos von Enthauptungen und Erschießungen als immer weniger erschreckend erweisen, weil die Wiederholung von Grausamkeiten nicht nur zur Abstumpfung der Täter, sondern auch zur Ermüdung der Voyeure führt. Sich Enthauptungsvideos als Mutprobe anzusehen, gehört mittlerweile zu den Partyritualen von Teenagern. Und der Ekel der älteren Generationen, die sich so etwas aus Reife und Würde nicht antun, gerät bei dem Wissen um die jederzeit abrufbare Existenz des Materials zu einer teilnahmslosen Erschöpfung vor der zur Schau gestellten Grausamkeit.
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