Provozierter „Konfessionskrieg“ als Machtinstrument

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Schlachtfeld Irak und Syrien: Die Menschen im Mittleren Osten sind auf der Suche nach einem Leben jenseits von Religiosität, Nationalismus, Dogmatismus, Fanatismus, Macht und kapitalistischer Ausbeutung


von Devris Çimen, Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e. V.


Syrien und in den letzten Monaten auch der Irak sowie der gesamte „konfliktreiche“ Mittlere Osten befinden sich in einer krisenhaften Übergangsphase. Momentan erleben wir dort eine weite Teile der Region betreffende „provozierte“ Eskalation. Gruppen von Sunniten und Schiiten intensivieren jeweils ihre Machtpolitik und forcieren auf unterschiedliche Weise gewaltförmige Auseinandersetzungen. In diesem Rahmen werden auch Menschen anderer Religionsgruppen, Ethnien oder politischer Meinung terrorisiert, verfolgt, vergewaltigt oder massakriert. Millionen von Menschen wurden zur Flucht getrieben.

Die êzîdischen Kurden in Sengal (Sindschar) sind die letzten Opfer auf diesem systematisch provozierten Schlachtfeld. Davor waren bereits die Turkmenen in Tal Afar, davor die Christen und Schabak-Kurden in Mûsil (Mosul), davor Kurden, Araber und Suryoye aus verschiedenen Städten in Syrien von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die fanatischen Dschihadisten der Gruppe Islamischer Staat in Irak und Syrien (ISIS), neuerdings nur noch Islamischer Staat (IS), einen der aggressivsten und menschenverachtendsten künstlich erzeugten Akteur in der Region, betroffen.
 

 

Genau betrachtet geht es in den Auseinandersetzungen nicht, wie gern in den Medien behauptet wird, um den Streit zwischen Religionsgruppen oder konfessionelle Unterschiede, sondern um die Ausweitung von Macht in allen Lebensbereichen der Menschen. In erster Linie handelt es sich um einen Verteilungskrieg, der von internationalen Mächten und Akteuren in der Region zur Durchsetzung wirtschaftlicher, politischer und strategischer Interessen und zur Sicherung des Zugriffs auf Ressourcen geführt wird. Es geht um die Neuordnung des Mittleren Ostens – und diese Neuordnung hat auch Auswirkungen auf die gesamte Weltordnung. Die Verletzung von Freiheitsrechten, die Aushebelung demokratischer Standards, die Verletzung der Menschenwürde und von Frauenrechten, die Ausbeutung von Ressourcen und die Instrumentalisierung der Forderungen von Menschen in demokratischen Aufständen sind bei dieser Neuordnung einkalkuliert und untrennbar miteinander verbunden.

Und es geht gegen die Errungenschaften der Revolution in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien), ein Beispiel eines demokratischen Lösungsmodells für die gesellschaftlichen Probleme, das in der Region bisher einmalig ist. Das System des „Demokratischen Konföderalismus“ gibt der Gesellschaft die Möglichkeit, auf basisdemokratischer Ebene mit selbstverwalteten Strukturen ihre Belange selbst in die Hand zu nehmen. Somit entwickelt sich die Region zu einem eigenständigen Subjekt in Unabhängigkeit von anderen Großmächten.
 

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