

► von Kai Ehlers
„Mit dem Verstand ist Russland nicht zu fassen,
mit allgemeinen Leisten nicht zu messen,
ihm eignet ein besonderer Charakter,
an Russland kann man einzig glauben„[1]
Mit diesem Credo des russischen Dichters Fjodor Tjutschew aus dem achtzehnten Jahrhundert, von Liebhabern Russlands ebenso gern zitiert wie von Skeptikern und bissigen Russlandhassern, sieht sich mit Sicherheit irgendwann jeder konfrontiert, der Russland zu erforschen versucht.
Die einen wollen damit die besondere Attraktivität Russlands herausstreichen, die anderen damit ihre Sicht von Russland als einem irrationalen schwarzen Loch belegen. Zur Begründung folgen in der Regel Hinweise auf die unermessliche Weite des Landes, auf die vermeintlich rätselhafte russische Seele, auf die unberechenbare russische Politik und schließlich aktuell – die Häme unserer Russland scheltenden Medien über die „Welt eines Putin“, der wohl den Bezug zur Realität verloren habe.
Dem ist heute dasselbe entgegenzusetzen, wie schon zu Zeiten Tjutjews, wie auch zum Beginn der 90er des zurückliegenden Jahrhunderts, als Russland erneut aus dem Verband der Sowjetunion heraustrat: Man kann Russland sehr wohl verstehen, wenn man bereit ist, seine historisch gewachsene Lage zwischen Asien und Europa als Basis des Landes wahrzunehmen – und dies nicht nur geographisch, sondern auch ethnisch, kulturell, politisch und ökonomisch bis in die Topografie des Landes und der Persönlichkeitsbildung der darin lebenden Menschen hinein.
Die wichtigsten Charakteristika, die sich aus dieser Lage ergeben, und die auch für die heutige Situation Russlands von erheblicher Bedeutung sind, sollen hier kurz beleuchtet werden:
Das ist zum einen Russlands tief gestaffelte Autarkie, die sich aus zwei Elementen ergibt, zunächst selbstverständlich und für jeden erkennbar, den gewaltigen Ressourcen an Naturreichtümern, die sich aus dem riesigen Territorium ergeben, heute vor allem Öl und Gas, aber auch Wald und schier unbegrenzte Flächen landwirtschaftlich nutzbaren Landes.
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