► von Urte Sperling / via Ossietzky.net
Ich lese in der Welt vom 21. Oktober, laut einer Studie der AOK gehöre das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) zu den am häufigsten diagnostizierten Entwicklungsstörungen. Die damit verbundene unkritische Verschreibung von Methylphenidat (bekannt auch als Ritalin®) habe sich innerhalb von sieben Jahren verdoppelt. Besonders alarmierend seien die Ergebnisse für die Jüngsten, die gerade in die Schule kommen und erst kurz vor dem gesetzlichen Stichtag sechs Jahre alt geworden sind. Sie haben oft einen geringeren Entwicklungsstand als ihre etwas älteren Mitschüler_innen. Dies heiße, ihre »altersgerechte Verspieltheit« und »typische Unbändigkeit« werden als Symptome gedeutet und häufig auch mit Psychopharmaka behandelt.
Diese Sorte Medikamente können – das zeigen einschlägige Erfahrungen – zur Einstiegsdroge für Kinder und Jugendliche werden, auf die später nicht selten die Abhängigkeit von anderen Medikamenten oder auch illegalen Drogen folgen.
Als Ritalin® in Deutschland auf den Markt kam, gab es keine Kontrollbehörde, die hier Einhalt geboten hätte. Damals schon wurden unüberhörbare Warnungen vor diesem Weg der pharmakologischen Ruhigstellung von Kindern laut. Sie blieben folgenlos – zu mächtig die Interessen der Pharmahersteller und ihr Einfluß auf Kinder- und Jugendpsychiater_innen, die ihre Eigenverantwortung irgendwann im Verlauf ihrer Ausbildung im Galopp der Karriereerfordernisse und des Anpassungsdrucks verloren haben.