Sein gegen Haben? Praktischer Umgang mit Wünschen und materiellen Gütern

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von Peter A. Weber, Klotten bei Cochem


Ob Shakespeares Version seines „Sein oder Nichtsein“ oder Fromms „Haben oder Sein“ sowie der Weg dahin „Vom Haben zum Sein“ – all dies sollte nicht auf eine Konfrontation des Seins gegen das Haben hinauslaufen. Schließlich ist das gemeine Haben in Form des Besitzens von Habseligkeiten oder die Freude am Umgang mit Spielereien aller Art Gottseidank noch nicht verpönt und unmoralisch. Ganz im Gegenteil – in unserer konsumistisch und kapitalistisch geprägten Gesellschaft wird das Haben um seiner selbst willen sozusagen vergöttert. Aber diese Geisteshaltung ist es ja gerade, die uns die Freude vergällt.


Auch verdienen humanistische Vordenker, Idealisten oder Visionäre wie Erich Fromm und viele andere keinen Spott von Seiten überheblicher einfallsloser Realisten. Sie haben schließlich als einzige dafür gesorgt, daß die Menschheit nicht völlig im Sumpf der Selbstzufriedenheit versunken ist und sich zumindest teilweise positiv weiter entwickelt hat. Wahrscheinlich würden wir uns noch in gebückter Haltung über die Savanne bewegen, wenn es einzelne Erfinder und Propheten nicht gewagt hätten, Undenkbares zu formulieren und konkret anzugehen. Ich will mich nicht auf den Schild und die Ebene der großen Vordenker heben, aber ein kleines bißchen fühle ich mich ebenfalls als Vertreter dieser Denkrichtung – zumindest erkläre ich mich solidarisch. Daher macht es mich wirklich traurig, wenn ich beobachten muß, daß der Zug mittlerweile rückwärts zu fahren scheint und wir uns kulturell-geistig-moralisch auf Degressionskurs befinden.


Man stelle sich folgendes vor: Die Menschen wagen es nicht mehr, an Utopien zu glauben und verlieren sämtliche hehren Ziele aus den Augen. Sie backen bei jeder Gelegenheit kleine Brötchen, auch wenn etwas größere durchaus im Bereich des Möglichen lägen und lassen sich regelmäßig ohne Zwang auf faule Kompromisse ein, obwohl sie nicht opportun sind. Wenn sie dann tatsächlich einmal in einen Gegenwind geraten, werden sie auch noch die letzten ohnehin faulen Zugeständnisse verraten. Sie werden auf diese Weise ihrem Endziel keinen einzigen Schritt näher kommen, sondern sie werden sogar regredieren und wieder in Richtung Steinzeit zurückschreiten. Das ist es, was ich im letzten Absatz mit degressiver Entwicklung meine. Man kann auch Dekadenz oder Umkehrung der geistigen Evolution dazu sagen. Die Frage, ob unsere Leser dies wollen, erübrigt sich – aber es passiert trotzdem! Allerdings sollten wir uns nicht an falschen Vorbildern orientieren.

 

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