Kann man „die Russen“ begreifen?
► von Dr. Christian Wipperfürth
Es folgt ein ernst gemeinter und zugleich augenzwinkernder, unterhaltsamer Versuch. Ich habe den Text vor etwa zwölf Jahren geschrieben, er trifft nach wie vor den Kern - habe ihn nur leicht abgeändert.
► Verkehrspsychologie
In diesem Land – ich befinde mich in St. Petersburg – gilt Russland und das Verhalten seiner Bewohner als unergründlich, unverständlich, rätselhaft. Russland sei mit dem Verstand einfach nicht zu begreifen. Dies ist hierzulande sprichwörtlich geworden. Aber stehen die Vertreter anderer Völker nicht vor ähnlichen Schwierigkeiten? - Können Sie mir sagen, was „die Deutschen“ und „Deutschland“ ausmacht? Oder beispielsweise Frankreich und dessen Einwohner? Fühlt man sich, wenn man dieses Wagnis unternimmt, wegen unvermeidlicher Verallgemeinerungen nicht ein wenig unwohl?
Ich möchte Sie (trotzdem) im Folgenden mit meinem Bild von Russland und dessen Bewohnern bekannt machen – von einem Gefühl leichten Unwohlseins begleitet. Ich bin der Ansicht, dass man dieses Land durchaus „begreifen“ kann – jedenfalls innerhalb der Grenzen, in denen sich auch sehr komplexe Phänomene wie etwa „Deutschland“ oder „Frankreich“ zu verstehen sind. Das Verhalten der Russen im Straßenverkehr bietet sich für eine kurzweilige und wie ich hoffe aufschlussreiche Untersuchung besonders an. Ich werde mich nicht allein darauf beschränken, sondern hierauf aufbauend noch weitere Schlussfolgerungen versuchen.
Ich befinde mich nunmehr seit immerhin 10 Monaten im Lande, aber die Gepflogenheiten hiesiger Verkehrsteilnehmer erregen immer noch mein Erstaunen, teils eher belustigt, teils von Sorge bestimmt. Wenn man es positiv ausdrücken will – und warum nicht? – wirken Russen total obercool: Es scheint ein weit verbreiteter Sport zu sein, Grenzen auszutesten.